Was soll ich tun, wenn mein Kind stiehlt?

Stehlen ist ein heikles Thema. Viele Menschen probieren es einmal in Ihrem Leben aus. Sie wollen erleben, was passiert und wie sich das anfühlt. Die meisten plagt anschließend ein schlechtes Gewissen. Als Elternteil ist die Situation meist sehr aufwühlend. Hier spielt die Enttäuschung, gepaart mit Ängsten und Sorgen um unsere Kinder und deren Zukunft eine große Rolle.

Kinder stehlen hauptsächlich, weil:

  • Sie sich rächen wollen,
  • sie mehr Aufmerksamkeit brauchen,
  • sie auf andere neidisch sind oder
  • sie andere beeindrucken wollen.

Natürlich sollten wir in allen Fällen einschreiten und versuchen, unseren Kindern das zu geben, was sie brauchen.

Warum stehlen Kinder?

Pauschal lässt sich das natürlich schwer sagen. Dennoch lohnt es sich, den Gründen auf die Spur zu gehen. Kennen Sie den Grund für das Stehlen, können Sie auch besser dagegen vor gegen.

Die vier häufigsten Ursachen sind:

Stehlen, um Aufmerksamkeit zu erlangen

Diese Art von Diebstahl ist die Auffälligste. Wenn Kinder stehlen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, dann machen sie das nicht sonderlich geheim. Sie legen es sozusagen darauf an, erwischt zu werden. Diese „plumpen“ Diebstähle sind ein deutliches Zeichen dafür, dass das Kind Aufmerksamkeit will und sucht. Die Art der Aufmerksamkeit, ob positive oder negative, ist den Kindern in diesem Fall egal. Hier besteht natürlich dringender Handlungsbedarf, da ein wichtiges Grundbedürfnis des Kindes nicht erfüllt ist. Schreiten wir hier nicht ein und versuchen die Bedürfnisse aufzubessern, kommt es zu einer negativen Spirale, in der das Kind eventuell immer extreme Handlungen macht, um Aufmerksamkeit und Ansehen zu bekommen.

Stehlen aus Neid

Ein Diebstahl kann von Kindern auch aus Neid begangen werden. Wenn Kinder das Gefühl haben „zu kurz zu kommen“ und weniger zu haben als andere, kann es natürlich vorkommen, dass sie ausprobieren, sich die Dinge zu stehlen.

In diesem Fall es wichtig, mit dem Kind darüber zu reden, warum das falsch ist und auch, dass es okay ist mal neidisch zu sein. Genaueres über den Umgang mit Neid können Sie hier nachlesen.

Außerdem können Sie mit Ihrem Kind Wege und Möglichkeiten besprechen, um sich die begehrten Objekte selbst zu verdienen. Je nach Alter, können das Minijobs sein oder auch mal gegen Bezahlung gewisse Aufgaben zu Hause, bei Großeltern oder Nachbarn übernehmen zum Beispiel. Aber auch ein klassischer Limonadenstand oder alte Sachen verkaufen, macht Kindern Spaß.

Stehlen durch Gruppenzwang

Je älter unsere Kinder werden, desto wichtiger werden Gleichaltrige für Sie. Das erreicht in der Pubertät ihren Höhepunkt. Daher kommt es auch immer wieder vor, dass Kinder aus Gruppenzwang heraus stehlen. Sie versuchen damit, die anderen zu beeindrucken.

Hier ist es wichtig, Kindern die Konsequenzen aufzuzeigen und andere Möglichkeiten zu besprechen, wie sie noch Aufmerksamkeit von Gleichaltrigen erlangen können. Obwohl wir hier oft von unseren Kindern als „alte“ Menschen nicht ernst genommen werden.

Am wichtigsten ist es, den Selbstwert des Kindes zu heben. Sport, Hobbys und Beschäftigungen in Vereine sind hier ein erster wichtiger Ansatzpunkt. Hier ein paar Tipps zum Selbstwert stärken.

Stehlen aus Rache

Kinder stehlen auch mal, um einem anderen etwas „heimzuzahlen“, also um sich zu rächen. Für Kinder gilt oft noch das Auge um Auge, Zahn um Zahn – Prinzip. Hat ihnen jemand etwas weggenommen, machen Sie es auch. Besonders bei jüngeren Kindern im Grundschulalter ist dies zu beobachten. Wobei es sich nicht immer um einen vorausgegangenen Diebstahl im eigentlichen Sinne handeln muss. Es kann vom Kind auch nur so aufgefasst worden sein. Eigentlich hat der oder die sich nur ohne fragen etwas ausgeborgt oder das Kind hatte auf etwas Besitzansprüche, das ihm nicht gehört und ein anderes Kind hat das Objekt dann einfach genommen, ohne böse Ansicht. Oft gibt es da im Grundschulalter noch Missverständnisse, die dann Wiedergutmachung verlangen. Manche Kinder regeln das eben dann mit Stehlen aus Rache. Hier hilft es, die Situation genau zu besprechen. Auch, wenn es Kindern im Grundschulalter noch schwerfällt, die Sichtweise des anderen einzunehmen, sollten trotzdem alle Blickwinkel besprochen werden. Natürlich wäre auch eine Aussprache der Situation mit allen Beteiligten ratsam, wenn es die Umstände erlauben.

Gespräche über Werte und Moral im Alltag können hier vorbeugend wirken und sind für unsere Kinder lehrreich und wichtig. Hier habe ich einige Tipps für Sie.

Unterschiede zwischen Kindern, die stehlen und Kindern, die nicht stehlen

Eine Studie zur Kinderdelinquenz zeigt, dass folgende Faktoren mit Delinquenz, also Stehlen, aber auch Lügen, Körperverletzungen, Erpressung, Ladendiebstahl oder Sachbeschädigung im Kindesalter zusammenhängen:

nicht delinquenter Kinderdelinquenter Kinder
Eltern dieser Gruppe haben ein höheres DiskussionsrepertoireEltern dieser Gruppe haben ungefähr das gleiche Rechtswissen, wie die andere Elterngruppe
Deren Eltern argumentieren häufiger mit ihren KindernEltern dieser Gruppe geben anscheinend Moral weniger oft an ihre Kinder weiter
Die Kinder dieser Gruppe haben eine bessere Resilienz (können sich besser gegen negative Einflüsse abschirmen)Diese Kidner haben einen geringeren Selbstwert,
unterliegen sozioökonomischer Risikofaktoren (geringes Familieneinkommen, schlechte Wohnsituation, familiärer Stress … ) und
ihre moralische Urteilsfähigkeit ist geringer ausgeprägt
Faktoren für Kinderdelinquenz

Was soll ich tun, wenn mein Kind mich beklaut und lügt?

Hier die ersten wichtigen Schritte, wenn Sie bemerkt haben, dass Ihr Kind stiehlt:

  1. Ansprechen
  2. Konsequenzen vereinbaren
  3. Wiedergutmachung einfordern
  4. Zeitplan für Wiedergutmachung festlegen
  5. Auswirkungen auf Beziehung zu Bestohlenen erklären (Enttäuschung, Vertrauensverlust)
  6. Nicht verharmlosen (keine Verniedlichungen verwenden, wie stibitzt, gemopst …)
  7. Auf Hintergründe achten (Aufmerksamkeit, Neid, Gruppenzwang?)
  8. Bei Bedarf professionelle Hilfe suchen

Mein Kind klaut im Geschäft

Kinder, die Ladendiebstahl begehen, machen dies meist aus Gruppenzwang oder weil sie schlicht mehr haben wollen, als sie sich leisten können. Manche stehlen im Geschäft auch, weil sie etwas nicht kaufen dürfen, im Fall von Alkohol oder Zigaretten.

Ladendiebstahl ist für Kinder und Jugendliche meist moralische einfacher in großen Geschäften. Die Gefahr erwischt zu werden ist geringer und es besteht kein persönlicher Bezug zum Bestohlenen. Daher sinkt hier die Hemmschwelle. Die tatsächlichen Konsequenzen sind allerdings meist auch gravierender, weil oftmals die Polizei eingeschaltet und der Diebstahl zur Anzeige gebracht wird. Konsequenzen, die für uns und unsere Kinder natürlich erstmals ein Schock sind, die allerdings Teil unserer Lebensrealität sind. Hier empfiehlt es sich, rasch eine Familienberatungsstelle aufzusuchen, um schnell und dauerhaft die Probleme aufzuarbeiten. Aber auch alle obigen Punkte, inklusive der Wiedergutmachung, sind wichtig.

Mein Kind stiehlt in der Schule

Gerade in Schulen kommt es immer wieder mal zum Diebstahl. Hier bietet sich oft die Gelegenheit, da Kinder während der Pausen oder in Freistunden natürlich unbeaufsichtigt sind. Hier spielt hauptsächlich die Rache oder das Neidmotiv eine Rolle.

Diese Diebstähle werden meist nicht so einfach aufgedeckt, daher fühlen sich die Kinder, und in diesem Fall Täter, „sicherer“. Sollten Sie als Eltern also Dinge entdecken, die nicht Ihren Kindern gehören und Sie von derartigen Problemen in der Schule wissen, versuchen Sie ein offenes und ehrliches Gespräch zu führen. Dabei sollte sehr darauf geachtet werden, dass Ihr Kind aus der Verteidigungspostion heraus kommt. Das kann nur mit Geduld und ohne massiven Anschuldigungen gelingen. Sicher ein sehr schwieriges Gespräch, keine Frage. Allerdings eine wertvolle Chance einzugreifen und Ihrem Kind zu helfen. Ruhe bewahren und gleichzeitig ehrliche Befürchtungen und Emotionen mit Ihrem Kind teilen, ist hier ein wichtiger Ansatzpunkt.

Im Weiteren ist es wichtig, dass Sie Ihrem Kind helfen, die Konsequenzen für sich und den Bestohlenen zu verstehen und einen Plan für Wiedergutmachung erstellen.

Ab wann muss ich mir Sorgen machen, dass mein Kind klaut?

Dass Kinder stehlen, kann schon vorkommen. Viele Kinder probieren es mal aus, sozusagen. Das lässt sich so um den Schuleintritt beobachten und dann in der Pubertät wieder. Ein- bis zweimal sind völlig unbedenklich. Wenngleich es trotzdem besprochen und gehandelt werden sollte. Häufiger als zweimal sollte es jedoch nicht sein. In diesem Fall würde ich dazu raten, Hilfe in einer psychiatrischen Kinderambulanz oder auch klinisch psychologischen Familienberatungsstelle in Ihrer Nähe aufzusuchen.

Kommt das Jugendamt, wenn mein Kind gestohlen hat?

Wenn der Diebstahl polizeilich angezeigt wird, wird auch das Jugendamt informiert. Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig, in jedem Fall wird aber vom Jugendamt die Einhaltung der Aufsichtspflicht und die familiäre Situation begutachtet. Das ist oft ein Schock für Familien und mit vielen Ängsten verbunden. Sehen Sie es als Chance, Hilfe zu bekommen. Kooperatives Verhalten und Ehrlichkeit sind auch hier meist ein Vorteil.

Fazit

Natürlich wollen wir alle, dass unsere Kinder weder stehlen noch lügen. Trotzdem kann es vorkommen. Wichtig ist, dann nicht wegzusehen und dem Konflikt aus dem Weg gehen. Sich der Situation stellen und das Problem aktiv angehen, schafft meist Verbesserung. Wichtig ist dabei, nicht in einen ständigen familiären Streit zu verfallen, obwohl die Enttäuschung wahrscheinlich groß ist. Das ist okay und das darf man den eigenen Kindern auch mal sagen. Es müssen keine Gefühle unterdrückt oder versteckt werden, aber nur mehr streiten wird Sie wahrscheinlich nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Viele Eltern reagieren natürlich sehr gereizt, das ist verständlich und darf auch sein, aber eben nicht ausschließlich. Sie sollten bewusst darauf achten, auch ruhige stressfreie Momente in der Familie zu haben und diese dann für konstruktive Gespräche mit Ihrem Kind nutzen.

Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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