Wie gehe ich damit um, wenn mein Kind um meine Aufmerksamkeit kämpft?

Es ist ganz normal, dass Kinder ab und zu um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern kämpfen. Ob durch ständige Fragen, wiederholtes Rufen oder sogar Wutausbrüche – all dies sind Versuche, die eigene Wichtigkeit und Nähe zu betonen. Aber wie können Eltern sinnvoll und liebevoll darauf reagieren? Hier sind einige Strategien und Tipps, die helfen können.

1. Die Gründe hinter dem Verhalten verstehen

Kinder kämpfen oft um Aufmerksamkeit, wenn sie sich vernachlässigt fühlen oder ihre emotionalen Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Dabei geht es nicht immer um die tatsächliche Zeit, die Eltern mit ihnen verbringen, sondern vielmehr um die Qualität dieser Zeit. Manche Kinder benötigen intensiveren Kontakt oder einfach mehr Bestätigung, um sich sicher und geliebt zu fühlen.

Versuchen Sie, die Bedürfnisse Ihres Kindes zu erkennen. Fragt es nach mehr gemeinsamer Zeit? Braucht es öfter Bestätigung oder emotionale Unterstützung? Indem Sie die Gründe hinter dem Verhalten verstehen, können Sie gezielter reagieren und präventiv handeln.

2. Zeit bewusst und exklusiv einplanen

Eltern sind oft gestresst und haben wenig Zeit, aber es ist wichtig, jeden Tag bewusste Momente für Ihr Kind zu schaffen. Diese exklusiven Zeiten, selbst wenn sie nur kurz sind, geben Ihrem Kind das Gefühl, wirklich gesehen und wertgeschätzt zu werden. Versuchen Sie, in dieser Zeit voll und ganz präsent zu sein: Lassen Sie das Handy beiseite und widmen Sie sich den Aktivitäten, die Ihrem Kind Freude bereiten.

Solche regelmäßigen, exklusiven Momente helfen oft, das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zu stillen, da Ihr Kind weiß, dass es jeden Tag oder jede Woche fest eingeplante Zeit mit Ihnen hat.

3. Positive Aufmerksamkeit fördern

Manchmal kämpfen Kinder um Aufmerksamkeit, indem sie negatives Verhalten zeigen, da sie wissen, dass sie so auf jeden Fall eine Reaktion bekommen. Statt auf negatives Verhalten stark zu reagieren, versuchen Sie, positive Verhaltensweisen zu bestärken. Loben Sie Ihr Kind, wenn es etwas Gutes tut, und zeigen Sie ihm, dass Sie seine Anstrengungen bemerken. Dies kann dazu führen, dass es in Zukunft öfter positive Verhaltensweisen zeigt, um Ihre Anerkennung zu gewinnen.

4. Mit Konsequenz und Klarheit reagieren

Grenzen sind wichtig, um ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Wenn Ihr Kind Ihre Aufmerksamkeit verlangt, während Sie beschäftigt sind oder klare Regeln verletzt werden, ist es sinnvoll, konsequent zu reagieren. Erklären Sie ruhig und bestimmt, warum Sie jetzt nicht reagieren können, und bieten Sie eine Alternative an, wann Sie Zeit für Ihr Kind haben. Eine klare Kommunikation kann Missverständnisse und Frustrationen auf beiden Seiten verringern.

Mit Konsequenz und Klarheit reagieren: Konkrete Tipps und Beispiele

Konsequenz und Klarheit im Umgang mit einem Kind, das um Aufmerksamkeit kämpft, können helfen, die Erwartungen zu steuern und das Kind zu ermutigen, auf respektvolle Weise um Ihre Zuwendung zu bitten. Hier sind einige konkrete Schritte und Beispiele, wie Sie in verschiedenen Situationen reagieren können:

Situation 1: Ihr Kind unterbricht Sie, während Sie telefonieren oder arbeiten

Was Sie tun können:

  • Wenn Sie mitten in einem Gespräch oder einer Aufgabe sind und Ihr Kind Sie unterbricht, unterbrechen Sie kurz, um Blickkontakt aufzunehmen, und sagen Sie ruhig: „Ich sehe, dass du etwas möchtest, aber ich muss jetzt zuerst diese Aufgabe erledigen. Sobald ich fertig bin, komme ich zu dir.“
  • Falls das Kind weiter insistiert, setzen Sie klare, freundliche Grenzen: „Ich verstehe, dass du mir etwas zeigen möchtest, und das kann warten, bis ich fertig bin. Bitte gib mir noch zehn Minuten, und dann bin ich ganz für dich da.“
  • Falls Ihr Kind alt genug ist, können Sie ihm eine kurze, alternative Beschäftigung anbieten. „Während ich telefoniere, könntest du doch mit deinem Buch spielen oder eine Zeichnung malen. Danach schaue ich sie mir gerne an.“

Situation 2: Ihr Kind wird laut oder aufdringlich, um Aufmerksamkeit zu bekommen

Was Sie tun können:

  • Bleiben Sie ruhig und setzen Sie Grenzen, indem Sie das Verhalten des Kindes benennen und Alternativen anbieten. Sagen Sie beispielsweise: „Ich kann nicht mit dir sprechen, wenn du so laut bist. Lass uns kurz beruhigen, dann erzählst du mir, was los ist.“
  • Zeigen Sie auf, wie das Verhalten verändert werden könnte, um Ihre Aufmerksamkeit zu bekommen: „Wenn du leise zu mir kommst und mich antippst, weiß ich, dass du mir etwas sagen möchtest. So können wir besser miteinander sprechen.“
  • Falls das laute Verhalten in einem öffentlichen Raum auftritt, könnten Sie kurz zur Seite treten und das Kind beruhigen. Sagen Sie: „Es sieht aus, als ob du meine Aufmerksamkeit möchtest. Ich höre dir gerne zu, wenn wir hier drüben ruhiger sprechen.“

Situation 3: Ihr Kind zeigt Trotzverhalten, weil es sich vernachlässigt fühlt

Was Sie tun können:

  • Bleiben Sie konsistent, indem Sie klar kommunizieren, dass Wutausbrüche oder Trotzverhalten nicht zu mehr Aufmerksamkeit führen. Zum Beispiel: „Ich merke, dass du wütend bist, aber so kann ich dir nicht helfen. Wenn du dich beruhigt hast, können wir zusammen sprechen.“
  • Bieten Sie eine Alternative zur Eskalation an und zeigen Sie Interesse an seinen Gefühlen: „Ich sehe, dass du enttäuscht bist, weil ich gerade beschäftigt bin. Möchtest du darüber sprechen? Danach finden wir zusammen eine Lösung.“
  • Nutzen Sie eine „Verbindungspause“, bei der Sie kurz innehalten und sagen: „Wir beide brauchen gerade eine Pause. Lass uns tief durchatmen, und danach reden wir darüber, was du möchtest.“

Situation 4: Ihr Kind wird eifersüchtig, weil Sie Zeit mit Geschwistern verbringen

Was Sie tun können:

  • Setzen Sie Erwartungen, indem Sie Ihrem Kind im Voraus erklären, dass es Zeiten gibt, in denen Sie Zeit mit anderen Geschwistern verbringen müssen, und es danach Ihre Zeit bekommt. „Ich werde jetzt mit deiner Schwester spielen, und danach komme ich zu dir. Jeder bekommt seine Zeit.“
  • Falls Ihr Kind dazwischenkommt, erinnern Sie es freundlich an die Abmachung: „Es ist gerade Zeit für deinen Bruder. Nachher habe ich Zeit für dich. Überlege dir schon einmal, was wir machen können.“
  • Alternativ können Sie vorschlagen, dass Ihr Kind eine kurze Aktivität in der Nähe macht und so das Gefühl hat, nicht ausgeschlossen zu sein. „Du kannst gern hier bleiben und ein Puzzle legen, während ich Zeit mit deinem Bruder verbringe.“

Zusätzliche Tipps: Umgang mit Rückfällen und Geduld üben

Seien Sie geduldig, falls Ihr Kind anfangs noch Schwierigkeiten hat, sich an die neuen Regeln zu gewöhnen. Es kann eine Weile dauern, bis es lernt, auf eine neue Art und Weise um Ihre Aufmerksamkeit zu bitten. Wenn Rückfälle auftreten, wiederholen Sie die klaren Anweisungen und loben Sie Ihr Kind, wenn es sich an die Vereinbarungen hält.

Durch diese Klarheit und Konsequenz schaffen Sie eine verlässliche Struktur, in der Ihr Kind weiß, dass seine Bedürfnisse ernst genommen werden – aber es auch lernen muss, sich respektvoll und geduldig zu verhalten. So entwickeln Sie gemeinsam positive Routinen, die für Sie und Ihr Kind auf lange Sicht förderlich sind.

5. Selbstfürsorge nicht vergessen

Es ist schwer, geduldig und liebevoll auf die Bedürfnisse eines Kindes einzugehen, wenn man selbst erschöpft ist. Eltern sollten darauf achten, dass sie auch auf ihre eigenen Bedürfnisse achten und sich regelmäßig Pausen gönnen. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um langfristig emotional verfügbar zu sein. Nehmen Sie sich Zeit für Dinge, die Ihnen guttun, damit Sie gestärkt und ausgeglichen für Ihr Kind da sein können.

6. Geduld und Verständnis zeigen

Wenn ein Kind um Aufmerksamkeit kämpft, kann das für Eltern anstrengend sein, aber es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass es für das Kind oft der einzige Weg ist, auf seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Versuchen Sie, mit Geduld und Verständnis zu reagieren, auch wenn es herausfordernd ist. Kinder entwickeln sich und lernen täglich, und mit Ihrer Unterstützung und Liebe können sie lernen, ihre Bedürfnisse auf positive Weise zu kommunizieren.

Fazit

Der Umgang mit einem Kind, das um Aufmerksamkeit kämpft, erfordert Geduld, Liebe und ein gutes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse des Kindes. Indem Sie bewusste Zeiten einplanen, positive Verhaltensweisen bestärken und klare Grenzen setzen, können Sie Ihrem Kind zeigen, dass es auf sinnvolle Weise Ihre Aufmerksamkeit gewinnen kann. Und nicht zuletzt: Vergessen Sie nicht, auch für sich selbst zu sorgen, damit Sie die bestmögliche Unterstützung und Zuwendung geben können.

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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