Magisches Denken

Wenn wir von magischen Denken sprechen, meinen wir meist eine Entwicklungsphase in der Kindheit. Magisches Denken ist für uns Erwachsene oft schwer zu versehen und wirkt auch fremdartig. Dennoch ist es wichtig, dass wir darüber Bescheid wissen, um unsere Kinder zu verstehen und ihre Anliegen ernst nehmen zu können. Denn, durch das magische Denken entstehen auch Ängste und Sorgen. Nur wenn wir wissen, was dahintersteckt, können wir hier unseren Kindern auch weiterhelfen.

Magisches Denken ist ein normaler Entwicklungsschritt, der jedoch auch bei Erwachsenen vorkommen kann. Die genau Beschreibung und den Ablauf bei Kinder wie auch Erwachsenen können sie in diesem Artikel nachlesen.

Magisches Denken bei Kindern

Das magische Denken bei Kinder meint, dass Kinder fälschlicherweise glauben, dass alles wahr ist, was sie sich vorstellen, denken und träumen. Für Kinder ist also in der Realität alles möglich und die Grenzen des machbaren und der Physik und Chemie sind nicht existent. Diese Phase beginnt mit ungefähr 3 Jahren und hat ihren Höhepunkt mit 5 Jahren.

Es ist darauf zurückzuführen, dass sich Kinder so die Welt erklären. Um das 3. Lebensjahr bekommen unsere Kinder immer mehr von ihrer Umgebung und der Umwelt mit. Sie beginnen viele Abläufe und Vorgänge zu verstehen. Das meiste davon können sie sich aber noch nicht erklären, weil ihnen schlicht das Hintergrundwissen fehlt. Unser menschliches Hirn strebt jedoch nach Zusammenhängen. So lässt sich nämlich aus vieles besser einordnen und merken. Daher beginnen Kinder sich eigene Zusammenhänge und Ursachen zu konstruieren. So können unsere Kinder die Welt leichter verstehen.

Allerdings gilt dieses „alles ist möglich“ nicht nur für Gutes, sondern auch für alle negativen Gedanken oder Träume. Unsere Kinder glauben also, dass alle schrecklichen Gedanken, die ihnen in den Sinn kommen oder Albträume, die sie haben, ihnen auch im Alltag wirklich passieren können. Das führt besonders in diesem Alter zu vielen entwicklungsbedingten Ängsten. Diese mögen für uns Erwachsene oft irrational und unnötig wirken. Die Angst ist für unsere Kinder dennoch real und bedrohlich. Mehr zu entwicklungsbedingten Ängsten und wie sie damit umgehen, habe ich hier für Sie zusammengefasst.

Die magische Phase und Animismus nach Piaget

Erstmals wurde dieses Phänomen vom Schweizer Entwicklungspsychologen Jean Piaget (1923). Er beschreibt, dass alle Kinder durch eine magische Phase und eine Phase des Animismus gehen. Magisches Denken fasste er so auf, wie oben beschrieben. Animismus meint, dass Kinder in dieser Phase auch glauben, dass Objekte Eigenschaften besitzen. Ein Stein ist zum Beispiel in der Lage traurig zu sein, weil er allein ist oder der Lieblingssessel hat Angst im Finsteren. Vielleicht kennen auch viele Eltern, dass unsere Kinder dann in der Nacht Angst vor gewissen Stofftieren haben, weil diese böse Absichten haben. Genau das ist der Animismus, der hier zum Tragen kommt.

Piaget schlussfolgert, dass diese Denkweise logisches Denken verhindert und das Verständnis für Funktionsweisen einschränkt. Jedoch ist zu bedenken, dass auch viele Hintergrundinformationen und viel Wissen über Ursache-Wirkungszusammenhänge in diesem Alter einfach auch noch fehlen. Aber natürlich ist es durch dieses magische Denken für Kinder schwieriger, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden.

Magisches Denken bei Erwachsenen

Magisches Denken ist nicht nur bei Kindern vorhanden. Auch wir Erwachsene neigen dazu, unsere Wissenslücken mit Vermutungen und eignen Schlussfolgerungen zu schließen. Erstmals wurde dies von Woolley 1997 beschrieben. Fehlen uns Hintergründe und Zusammenhänge, versuchen wir diese Lücken zu schließen. Das kann durch gezielte Informationssuche passieren oder auch durch andere Schlussfolgerungen. Es ist vom sozialen Kontext und persönlichen Einstellungen abhängig, ob wir auch als Erwachsener zu magischen Denken tendieren oder nicht. In Zusammenhang mit Erwachsenen sprechen wir auch von Aberglaube.

Was sind magische Handlungen

Das magische Denken ist nicht mit magischen Handlungen zu verwechseln. Magische Handlungen sind jene, die versuchen, etwas magisch aussehen zu lassen, also zaubern zum Beispiel. Durch das magische Denken wird Zaubern bei Kindern meist nicht hinterfragt und fasziniert sie daher noch besonders. Zeigen wir ihnen die Tricks nicht und vor allem wie sie zustande kommen, glauben sie, dass der Zauberer / die Zauberin wirklich gezaubert hat.

Ist magisches Denken ein Zwang oder eine Psychose?

Magisches Denken kommt auch in Zusammenhang mit psychischen Erkranken als Symptom in den gängigen Klassifikationssystemen vor. Vor allem als Symptom von Zwang sind magische Gedanken wiederzufinden. Allerdings, nie als alleiniges Merkmal, sondern nur als Faktor im Zusammenhang mit anderen Symptomen bzw. Kriterien.

Zwangsgedanken:

1. Wiederholt aufdringliche und unangemessene Gedanken, Impulse oder Vorstellungen, die starke Angst und Unbehagen hervorrufen.

2. Es sind nicht Sorgen über reale Lebensprobleme.

3. Versuche, die Gedanken zu ignorieren, zu unterdrücken oder zu neutralisieren.

4. Der Betroffene erkennt, dass die Gedanken dem eigenen Geist entsprungen sind.

DSM IV

Im Wesentlichen sind Personen, die unter einer Zwangsstörung leiden und Zwangsgedanken entwickelt haben, davon überzeugt, dass ihr Denken, Tun und auch Handeln, auf magische Weise nicht zusammenhängende Situationen beeinflussen. Oder auch durch bestimmte Geschehnisse beeinflusst werden.

Nach dem Prinzip: wenn eine Katze von rechts nach links unter einer Leiter durchläuft, passiert mir ein Unglück. Oder auch: wenn ich nicht täglich meinen Spiegel putze, bricht ein Feuer aus. Die Betroffenen wissen zwar, dass diese Gedanken von ihnen selbst kommen, können sie aber aus Angst, dass etwas Schreckliches passiert, nicht unterdrücken. Besonders Zwangsgedanken sind oft schwer zu diagnostizieren und werden oft fälschlicherweise als Psychose oder auch Schizophrenie diagnostiziert. Zur Psychose und Schizophrenie gehören Zwangsgedanken allerdings nicht als Kriterium.

Die magischen Gedanken haben sich auch als Indikator für die Schwere der Zwangsgedanken erwiesen. Je mehr magisches Denken der Patient hat, desto intensiver und umfassender sind oft seine Zwangsgedanken.

Der Auslöser liegt oft bei mehreren Faktoren. Einerseits geht man von einer genetischen Vorbelastung aus und, andererseits kann es durch ein kritisches Lebensereignis oder anderen Auslöser zum Ausbruch der Krankheit der Zwangsstörung kommen.

Fazit

Magisches Denken ist ein wichtiger Entwicklungsschritt. Die Denkweise unserer Kinder in dieser Phase ist für uns Erwachsene allerdings oft schwer gedanklich nachzuvollziehen ist. Dennoch sollten wir darauf achten, da viele Ängste diesem Denken entspringen und daher für unsere Kinder reale Gefahrenquellen darstellen.

Dennoch ist es natürlich auch etwas Gutes, da es unseren Kindern, wie auch uns, es ermöglicht kreativ zu sein und unserer Fantasie freien Lauf zu lassen. Das ist gut für die Psychohygiene und ermöglicht und neue Wege und Lösungen für Probleme oder alltägliche Situationen zu entdecken.

Beiträge, die Sie auch interessieren könnten

Wackelzahnpubertät – Mit diesen 14 Tipps überstehen es Kinder und Eltern

Warum ist mein Kind abends so aufgedreht?

Die sozial-emotionale Entwicklung

Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
© Copyright 2021 - Ines Wurbs
HOMEÜBER MICHBLOG
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram