Mein Kind kopiert unsinniges Verhalten. So gehen Sie damit um!

Wir Eltern kennen es fast alle, wir versuchen ein gutes Vorbild zu sein und dann machen wir einmal einen Blödsinn und zack, unsere Kinder sehen es und machen es nach. Dann meist auch gleich noch in Endlosschleife und überall. Das ist so, weil es für unsere Kinder natürlich ungewöhnlich und somit besonders interessant ist. Am besten hilft:

  • Auf das Verhalten hinweisen
  • Die soziale Komponente einbringen
  • Perspektive anderer einnehmen lassen
  • Viele unterschiedliche Situationen besprechen
  • Ersatzhandlung anbieten
  • Üben, wo es passt und wo nicht
  • Auswirkungen besprechen und zeigen

Wann gilt ein Kind als verhaltensauffällig?

Ja, wenn Kinder scheinbar unsinniges Verhalten kopieren ist das für uns Eltern und natürlich auch andere anstrengend und manchmal auch peinlich. Aber es ist normal für Kinder und wird nicht gleich als verhaltensauffällig zu deklarieren.

Ein Kind ist genaugenommen erst dann verhaltensauffällig, wenn sich ein Kind deutlich anders verhält:

  • als die meisten andere Kinder seines Alters,
  • in derselben oder einer ähnlichen Situation
  • über einen längeren Zeitraum hinweg
  • es eine bestimmte Fähigkeit betrifft und
  • Rechte,
  • soziale Normen und
  • Regeln verletzt.

Eine Verhaltensstörung betrifft vorwiegend deutliche Schwierigkeiten bei der Problembewältigung und eine unangemessene Emotionsregulation. Ungeliebtes Verhalten nachahmen zählt hier vordergründig nicht gleich dazu.

Warum kopiert mein Kind auffälliges, unsinniges Verhalten?

Kinder lernen vom Säuglingsalter an durch Imitation, also durch Nachmachen. Sie beobachten uns und andere sehr genau und machen es dann nach. Besonders jenes Verhalten, das uns unsinnig und unnötig erscheint, wird schnell und gerne nachgeahmt. Eine Studie der Uni Heidelberg erklärt es so, dass Kinder den Zusammenhang des Verhaltens nicht verstehen und durch das Ausprobieren versuchen herauszufinden, welche Wirkung und welchen Sinn das unsinnige Verhalten hat.

Das ist gewiss, ab einem bestimmten Alter der Fall, welches Alter das jedoch genau ist, bleibt die Studie einstweilen noch schuldig und ist somit noch offen.

Eine andere Theorie geht davon aus, dass ungewöhnliches Verhalten die Aufmerksamkeit stärker auf sich zieht als vorhersehbares, gewohntes Verhalten. Neues ist für uns und unsere Kinder natürlich interessanter. Kinder wiederholen Dinge, die für sie neu und ungewohnt sind, auch öfter. Sie sehen etwa einen neuen Film 30-mal, bevor er dann endlich langweilig und etwas uninteressanter wird. Wiederholungen geben unseren Kindern Sicherheit. Das kann auch auf neues unsinniges Verhalten zu treffen und ein Grund sein, dass sie solch ein Verhalten schneller und öfter kopieren als ein erwartetes und vertrautes Verhalten.

Hinzu kommt, dass unsinniges Verhalten auch von anderen mehr beachtet wird und bestimmte Reaktionen heraufbeschwört, entweder Lachen, Verwunderung oder zumindest ein Gespräch anzettelt. Viele Kinder mögen diese Aufmerksamkeit und wollen durch das Nachahmen diese Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Kinder probieren noch vieles aus und besonders sozialer und zwischenmenschlicher Austausch muss lange und in sehr zahlreichen Facetten geübt und erforscht werden. Was macht es mit anderen und mit deren Verhalten mir gegenüber, wenn ich dieses oder jenes mache? Das ist eine mögliche und, meiner Meinung nach, auch wahrscheinliche Erklärung für das Nachahmen von scheinbar unsinnigem Verhalten.

Wie sollen Eltern damit umgehen, wenn ein Kind unsinniges Verhalten nachmacht?

Nun ja, es ist schwierig hier die richtige Balance zu finden, zwischen dem selbstständigen Erforschen und Ausprobieren lassen und dem „richtigen“, sozial kompatiblen Umgang.

Es gilt
Alles ist erlaubt, solange es Ihrem Kind selbst oder anderen nicht schadet.

Aber, wo diese feine Grenze zu „es schadet“ ist, ist natürlich je nach Situation sehr unterschiedlich.

Ein anschauliches Beispiel hierfür ist Rülpsen, wie ich finde. Wenn ein Kind zu Hause allein isst oder trinkt und niemand daneben sitzt, überschreitet es wahrscheinlich keine Grenzen. Anders verhält sich das, wenn die Familie mit am Tisch sitzt. Und natürlich auch, wenn Besuch da ist oder wenn das Kind überhaupt auswärts isst. Im Kindergarten kann Rülpsen eine Regel brechen, wenn das Kind eigentlich wo allein spielt. Aber natürlich sich trotzdem in einer Gruppe befindet, die dadurch gestört wird. Auch in der Schule würde es eine Grenze überschreiten und meist sogar den Unterricht stören.

Sie sehen schon, ein und dasselbe Verhalten ist in den unterschiedlichen Situationen oft auch anders zu bewerten. Das müssen Kinder lernen und erfahren. Am besten mit unserer Hilfe und unter unserer Anleitung. Wichtig dabei ist:

  • Versuchen Sie, ruhig zu bleiben (auch, wenn es bei manchen Verhalten schwierig ist ;-))
  • Machen Sie Ihr Kind auf das gezeigte Verhalten aufmerksam
  • Erklären Sie klar, warum das in dieser Situation nicht gepasst hat
  • Erklären Sie, wann es eventuell passt oder nicht so „tragisch“ ist
  • Sprechen Sie es immer wieder in den unterschiedlichsten Situationen an und erklären Sie die Situation
  • Sagen Sie ehrlich, was das mit Ihnen selbst macht, wenn Ihr Kind dieses Verhalten zeigt
  • Legen Sie den Blickwinkel und Sichtweise anderer dar
  • Bieten Sie eventuell Ersatzhandlung an und vereinbaren Sie die Rahmenbedingungen dazu
  • Sprechen Sie die Konsequenzen für Ihr Kind und Auswirkungen auf andere an
  • Setzen Sie eventuell auch (vorher besprochene) Konsequenzen, wenn es ein sehr störendes Verhalten für andere ist und auch Gefahr besteht, dass sich Ihr Kind dadurch selbst schadet.

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Mein Kind macht Freunden alles nach

Besondere Anziehungskraft haben Gleichaltrige und annähernd Gleichaltrige auf unsere Kinder. Kinder lernen von anderen Kindern vieles schneller, weil sie es auf eine zugänglichere, einfachere Art machen. Das hat natürlich viele Vorteile, aber auch den ein oder anderen Nachteil. Nämlich immer dann, wenn es um ein uns ungeliebtes Verhalten geht. Das nehmen Kinder von anderen Kindern nämlich fast noch schneller an.

Freunde sind für unsere Kinder ein wichtiger sozialer Faktor. Sie vergleichen sich und wollen Freunden gefallen. Besonders in der Pubertät haben Freunde einen sehr hohen Stellenwert. Die meisten Handlungen richten sich danach, den Freunden zu gefallen und sich selbst gegenüber den Freunden nicht bloßzustellen.

Auch, wenn Verhalten von Freunden nachgemacht wird, gelten obige Tipps. Wichtig ist dabei, aber auch die Individualität hervorzuheben und, wann immer möglich, zu fördern. Die Individualität besprechen und die Vorteile hervorzuheben, kann hier helfen. Aber natürlich ist das ganze ein langer Prozess, der wesentlich zur Selbstfindung und Identitätsfindung beiträgt. Auch das Nachmachen der Freunde gehört hier dazu. Verständnis zeigen hat hier oberste Priorität, solange keine Grenzen und Rechte überschritten werden. Auch wenn wir meinen, Nachahmen ist unnötig, ist es doch für die Entwicklung und die Erfahrung unserer Kinder wichtig und förderlich.

Fazit

Ja, manchmal sind Kinder anstrengen und ihr Verhalten bringt uns an unsere Grenzen. Darum ist es wichtig, unsere Grenzen zu kennen und zu wahren, damit wir dann nicht wie ein Fass überlaufen und etwas sagen, was wir bereuen. Offener und ehrlicher Umgang mit unseren Gedanken und Gefühlen ist auch in solchen Situationen mit unseren Kindern wichtig. Mehr über Ehrlichkeit und wie viel Wahrheit Kinder vertragen, finden Sie in diesem Beitrag.

Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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