Wie viel Wahrheit vertragen Kinder?

Wir Eltern neigen dazu zu glauben, dass wir besser mit der Wahrheit umgehen können als unsere Kinder. Aber ist das wirklich so? Nein, eigentlich sind Kinder besser darin. 

Unsere Kinder vertragen die Wahrheit und haben das Recht darauf. Als Eltern haben wir die Verantwortung, unseren Kindern diese Wahrheit altersgerecht zu vermitteln. Tun wir das nicht, können tiefgreifende Folgen auftreten.

Warum das so ist und wie gefährlich Geheimnisse für Ihre Kinder sind, erfahren Sie hier.

Warum verschweigen wir Kindern die Wahrheit?

Wir wollen unsere Kinder beschützen, sehen unsere Kinder zurecht als unsere Schutzbedürftigen an und möchten ihnen Leid ersparen. Oftmals sind wir unsicher, was unsere Kinder schon verkraften können oder nicht. Wir haben vielleicht Angst ihnen seelische Wunden zuzufügen oder alte Wunden aufzureißen.

Auch wissen wir manchmal schlichtweg nicht, wie wir es ihnen sagen sollen und lassen es darum lieber. Wir Menschen neigen dazu, den einfachen Weg zu wählen.

Aber wir wollen manchmal nicht nur unsere Kinder schützen. Etwas nicht anzusprechen, schützt nämlich auch uns selbst. Allerdings kann ich Ihnen hier gleich verraten, dass das meist nicht lange gut geht.

Wenn ein Fehler kollektiv wird, erlangt er die Stärke einer Wahrheit.

Anna Freud

Was kann ich tun, damit mein Kind mit schwierigen Situationen besser umgehen kann?

  • Stärken Sie Ihre Kinder: Starke, selbstbewusste Kinder kommen viel besser mit schwierigen Zeiten und Themen zurecht. Kinder, die wissen, auf wem sie sich verlassen können, wie sie ihre Gefühle ausdrücken können und wo ihre Grenzen liegen, können ihre Ressourcen für schwere Zeiten viel besser mobilisieren. So können sie diese effektiver einsetzen, um auch schwierige Zeiten gut zu überstehen. Mehr Tipps, wie Sie Ihre Kinder stärken, habe ich in einem separaten Artikel hier zusammengefasst
  • Vorbild und Modell sein: Unser eigener, konstruktiver Umgang mit schwierigen Themen, wie Trauer, hilft unseren Kindern sich sicher zu fühlen, sich an uns zu orientieren und lernen so von uns Krisensituationen zu meistern. Das Verschweigen von schwierigen Themen nimmt unseren Kindern diese Möglichkeiten. Einen möglichen Weg, wie Sie ein gutes Vorbild sein können, finden Sie in diesem Artikel.
  • Seien Sie ehrlich: Wenn Sie Ihrem Kind gegenüber ehrlich sind, auch wenn das bei schwierigen Themen vielleicht nicht einfach ist, stärkt das Ihre Bindung und das Vertrauen. Mit Ehrlichkeit allein, zeigen wir unseren Kindern, schon einen konstruktiven Weg für solche Situationen.

Warum Geheimnisse unseren Kindern schaden

Tatsächlich haben Geheimnisse sogar einen nachweislich negativen Effekt auf unsere Kinder: Es lassen sich lediglich die Informationen verschweigen, nicht jedoch unsere Gefühle. Das heißt, unsere Kinder bekommen ziemlich wahrscheinlich mit, dass etwas nicht stimmt. Das erzeugt Unsicherheit und führt dazu, dass Kinder sich ihre eigenen Gedanken dazu machen. Da ihnen aber die Informationen dazu fehlen und Kinder viel auf sich beziehen, ziehen Sie mit großer Wahrscheinlichkeit falsche Schlüsse, die möglicherweise auch zu Selbstvorwürfen führen können. 

  • Im Zuge dessen lernen unsere Kinder auch nicht, ihre Gefühle richtig auszudrücken, weil wir Erwachsene in der Bemühung etwas zu verschleiern vielleicht diese Gefühle gegenüber unseren Kindern auch verneinen. Sie lernen somit nicht von uns.
  • Wir geben nicht zu, traurig zu sein. Dennoch sehen sie unseren flacheren Gesichtsausdruck und erleben unsere getrübte Stimmung. Sie merken also, dass etwas nicht stimmt. Da wir es ihnen gegenüber aber nicht zugeben, neigen Kinder dazu zu glauben, dass sie falsch liegen mit ihren Annahmen. Sie lernen also, dass Sie die Gefühle falsch erkannt haben. Das wirkt sich zusätzlich auch noch negativ auf den Selbstwert aus.
  • Geheimnisse wirken wie eine Barriere zwischen denen, die ein Geheimnis haben, und den „Belogenen“. Das wirkt sich natürlich schlecht auf das Vertrauen und auf Ihre Eltern – Kind Bindung aus.

So sagen Sie Ihren Kindern die Wahrheit

  • Wenn möglich, vermitteln Sie schwierige Wahrheiten in einer vertrauten, sicheren Umgebung
  • Am besten nur innerhalb der Familie und ohne Außenstehende
  • Verwenden Sie klare, ehrliche Worte: Verwenden Sie keine Umschreibungen oder Metaphern. Versuchen Sie, Missverständnisse zu vermeiden.
  • Immer altersgerecht: also wählen Sie die Worte so, dass sie dem Alter und der Sprache Ihres Kindes entsprechen und versuchen Sie, sich zunächst auf das Wesentliche der Problematik zu konzentrieren. So ist es klarer für Ihr Kind.
  • Lassen Sie Ihre eigenen Gefühle ebenfalls zu und erklären Sie diese Ihrem Kind
  • Sagen Sie Ihrem Kind, dass Sie alle seine Fragen dazu gerne beantworten, sofern möglich. Lassen Sie Ihrem Kind Zeit und Raum für alle Fragen. Kinder kommen oft erst nach einiger Zeit oder auch in den nächsten Tagen mit Fragen.
  • Versuchen Sie Ihrem Kind auch klarzumachen, dass es keine Schuld an der Situation trägt. Oft geben sich Kinder selbst die Schuld am Unglück anderer.
  • Weihen Sie auch Kindergartenpädagogen oder die Lehrer Ihres Kindes in die familiäre Situation ein. Es ist möglich, dass sich Ihr Kind in schwierigen Zeiten anders verhält oder vielleicht das Thema bei seinen Pädagogen anspricht. So können diese besser auf Ihr Kind eingehen und passend reagieren.
  • Im Zweifelsfall holen Sie sich Hilfe von außen

Fazit

Kinder vertragen die Wahrheit oft besser, als von uns Erwachsenen angenommen wird. Sie nehmen die Dinge hin so, wie sie sind und versuchen damit klarzukommen. Dabei ist es natürlich wichtig und nötig, ihnen beiseitezustehen und zu helfen. Lassen Sie Ihr Kind Teil Ihres gesamten Lebens sein, denn nur so kann es auch für sein eigenes Leben das lernen, was es braucht.

Lesetipp

Über das Thema: Mit Kindern über den Tod sprechen, können Sie sich hier genauer informieren.

Falls Sie Geheimnisse interessieren: Mehr über Geheimnisse im Allgemeinen und unsere Gründe dafür, können Sie bei Spektrum nachlesen.

Natürlich gibt es in diesem Zusammenhang auch Traumata. Sehr selten, aber doch. Hier erfahren Sie, wie Sie ein Trauma erkennen und was die ersten Schritte sind.

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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