Wie entwickelt sich das Gewissen?

Das, was wir gemeinhin als Gewissen verstehen, wird auch unter dem Begriff Moral zusammen gefasst. Schon Kant ging dieser Fragestellung nach.

Kant sprach von moralischer Anlage als Gewissen. Mit dem Vernunftgesetz urteilen wir über gut oder böse und anhand des Gewissensgerichtes verurteilen wir uns oder sprechen uns frei. Natürlich gibt es hierzu viel moderne Forschungen, denen im Wesentlichen aber Kant zugrunde liegt.

Die Stufen der Moralentwicklung

„Mitgefühl ist die Grundlage der Moral.“

Arthur Schopenhauer

Erste Stufe: 5–8 Jahre

Kinder haben in der ersten Stufe noch immer Schwierigkeiten, beide Standpunkte bei einem moralischen Dilemma zu berücksichtigen. Es übersieht noch recht oft die Absichten des anderen. Kinder versuchen hier noch oft Strafe zu vermeiden und haben Angst. Nach diesen Beweggründen handeln sie auch und entscheiden so, dass sie der Bestrafung entgehen und die Autoritätsperson zufrieden ist.

Zweite Stufe: 8–12 Jahre

Schön langsam beginnen Kinder nun unterschiedliche Perspektiven zu verstehen. Allerdings stehen hier noch stark die eigenen Interessen im Vordergrund. Kinder nehmen das auch von ihrem Gegenüber an. Es herrscht so zu sagen noch das Auge um Auge Prinzip. Ich tue dir einen Gefallen und du mir.

Dritte Stufe: 12–14 Jahre

Auf dieser Stufen sind andere Personen schon wichtig, Familie und Freunde. Kinder in diesem Alter befolgen Regeln, weil sie bereits gelernt haben, was es bedeutet, respektvoll, vertrauenswürdig, loyal oder auch einfach nur nett und hilfsbereit zu sein. Kinder auf dieser Stufe sind am Wohlbefinden ihrer Familie und Freunde gleich stark interessiert wie an ihrem eigenen. „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst.“

Vierte Stufe: 14–16 Jahre

Jetzt werden gesellschaftliche Regeln immer besser verstanden. Gerade in dieser Phase ist es für uns wichtig, dass Regeln nicht nach der Nähe zu einem selbst, sondern für alle gleichermaßen gelten. Pflichten, Gesetze und Gerechtigkeit werden nun besonders hochgehalten.

Fünfte Stufe: ab 16 Jahren

Gesetze und Rechte werden auf dieser Stufe flexibel gesehen. Gerechte Verfahren sind zwar wichtig, aber auch Gerechtigkeit, um Gesetzte auszulegen und zu ändern. Es wird hinterfragt und das Wohl des Einzelnen und der Gesellschaft abgewogen.

Sechste und höchste Stufe

Ein Mensch auf der höchsten Stufe der Moralentwicklung handelt nach selbst gewählten ethischen Gewissensprinzipien. Die Regeln sind für die gesamte Gesellschaft ohne Einschränkungen gültig. Die Werte sind oft sehr abstrakt und die Achtung der Werte und die Würde jedes Einzelnen stehen im Vordergrund.

Einflüsse auf das Gewissen

Erziehungsstil

Eine liebevolle Erziehung, in der Eltern mit Kinder Ideen austauschen und angemessene Erwartungen setzten, ist sehr förderlich für das Erreichen der nächsten Stufe der Moralentwicklung. Eine sichere Bindung fördert die Entwicklung des Gewissens. Informationen über eine sichere Bindung erhalten Sie in diesem Artikel.

Gerade bei Jugendlichen ist es wichtig, mit Ihnen immer wieder über moralische Fragen zu sprechen und sie zu prosozialen Verhalten zu ermutigen. Es ist auch für Jugendliche wichtig sie hier zu unterstützen und immer wieder zu erklären, Informationen zu sammeln und auch zu diskutieren.

Schule

In Studien hat sich gezeigt, dass das Erreichen der 4. Stufe durch eine höhere Schulbildung erleichtert wird. Es ist anzunehmen, dass vor allem junge Menschen angeregt werden, soziale Fragen zu überdenken, die über persönliche Beziehungen hinausgehen. So werden ganze kulturelle Gruppen in die Betrachtung einbezogen.

Freundschaften

Haben Kinder die Gelegenheit sich mit Freunden auszutauschen, merken sie schnell, dass Kooperationen erfolgreich sein können. Also, dass unter Gleichen auch gleiches gilt. Davor „kannten“ sie nur Autoritäten und weitestgehend die Macht von oben. Auch wenn wir unsere Kinder nicht autoritär erziehen, empfinden Kinder Regeln als von „oben kommend“.

Freundschaften sind besonders wichtig für die Entwicklung des Gewissens. Freunde vertrauen einander meist und treffen deshalb Entscheidungen, die für beide gemeinsam gut sind. Das fördert dann auch die Entwicklung des Gewissens.

Umgebung

Auch die Umgebung hat Einfluss auf unser moralisches Verhalten. Je nachdem wo wir uns befinden und wie die „Atmosphäre“ um uns ist, wird unser Verhalten beeinflusst. Das konnte in der Studie „Good Lamps are the Best Police“ von Zhong schön gezeigt werden.

Quelle: Zhong et al. (2010): Good Lamps are the Best Police

Tipps zur Förderung der Entwicklung des Gewissens bei Kindern:

  • Eine sichere Bindung zwischen Ihnen und Ihrem Kind fördert die Entwicklung des Gewissens. Was eine sichere Bindung ausmacht, erfahren Sie in diesem Artikel.
  • Empathie: die Handlungen des Kindes erklären. Also was hat es getan und was hat das bei mir bewirkt. Wenn Schuldgefühle beim Kind entstehen ist das normal, helfen Sie ihrem Kind dabei, mit Ihnen konstruktiv umzugehen. Zeigen Sie ihm Alternativen für das nächste Mal auf.
  • Loben Sie moralisch günstiges Verhalten.
  • Seien Sie Ihrem Kind ein Vorbild
  • Lassen Sie Ihrem Kind altersgerechten Freiraum, um seine persönlichen Entscheidungen zu treffen
  • Je besser Ihr Kind sprechen kann, desto leichter tun sich, vorwiegend Kindergartenkinder, auch moralische Angelegenheiten, wie Streit oder Teilen, zu verstehen.
  • Je sensibler und kooperativer Eltern und Kinder miteinander umgehen und je mehr positive Emotionen und Erlebnisse sie zusammen haben, desto stabiler ist die Entwicklung des Gewissens.

Sollte Ihr Kind Probleme im Umgang mit anderen, kann ich diesen Artikel mit Tipps zum Beruhigen beim Ausrastern empfehlen. Mehr zum Thema Aggression im Kindergarten finden Sie hier.

Fazit

Gewissen ist nicht angeboren. Es entwickelt sich und wir können viel dafür tun, damit wir und unsere Kinder in der Entwicklung auch weiter kommen. Ein sicherer Rahmen, in dem erforscht und ausprobiert werden kann und eine offene Haltung ist dafür ausschlaggebend.

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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