Mein Kind unterdrückt Weinen

Weinen ist eine Emotion, die in unserer Gesellschaft oft als schlecht angesehen wird. Es ist ein Gefühl, das wir Erwachsene versuchen, wenn überhaupt, dann nur im Verborgenen, ganz alleine, zuzulassen. Es gibt allerdings auch Kinder, die das Weinen unterdrücken.

Kinder unterdrücken das Weinen vor allem, wenn sie das von Ihren Eltern oder nahen Erwachsenen gelernt haben. Ein anderer Grund kann sein, dass sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wenn unsere Kinder das Weinen unterdrücken, können vielerlei Probleme entstehen.

Im nachfolgenden Artikel erfahren Sie die Gründe und mögliche Folgen.

Warum weint mein Kind nicht?

Dass Ihr Kind nicht weint oder das Weinen unterdrückt, kann folgende Gründe haben:

  • Es hat nicht gelernt, das Gefühl Traurigkeit mit Weinen zu verbinden.
  • Wir haben unseren Kindern gelernt, dass Weinen nicht erwünscht ist.
  • Ihr Kind hat eine schlechte Erfahrung damit gemacht, vor anderen zu weinen.
  • Ihr Kind kann aber auch eine sehr hohe Toleranz haben.

Der Grund des Weinens kann sehr unterschiedlich sein. Es zeigt sich meist, wenn wir von Gefühlen überwältigt sind. Dabei ist es egal, um welches Gefühl es sich handelt. Das ist natürlich von Person zu Person sehr unterschiedlich.

Tränen kommen von Herzen und nicht vom Verstand.

Leonardo da Vinci

Gefühle zeigen lernen

Kinder sollten weinen, wenn es in der Situation angebracht ist. Allerdings aus Kindersicht, nicht aus unserer Erwachsenensicht. Gefühle erkennen, zuordnen und zeigen müssen Kinder erst lernen. Babys weinen zwar von Beginn ihres Lebens, allerdings aus anderen Gründen als Traurigkeit. Es ist ihre einzige Möglichkeit, ein Bedürfnis zu kommunizieren. Genau genommen ist es eigentlich schreien und selten weinen.

Weinen ist allerdings ein wesentlicher Ausdruck von unterschiedlichen Gefühlen für uns Menschen. Wir weinen, weil wir:

  • traurig sind
  • zornig oder wütend sind
  • uns sehr stark freuen
  • Angst haben
  • uns schrecken oder
  • überrascht sind 
  • gerührt sind
  • Schmerzen haben

Indem wir unseren Kindern auch erklären, was sie gerade fühlen oder wie wir uns gerade fühlen, können Kinder gewissenhaft lernen, wie sich welche Gefühle anfüllen, welche Mimik und Gestik dazugehört und wie jemand aussieht bei einem entsprechenden Gefühl.

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Info
Die Kontrolle der Gefühle ist erst mit 6 Jahren ausgereift.

Mehr zur gesamten sozial-emotionalen Entwicklung, inklusive Fördertipps, gibt es in diesem Beitrag.

Weinen zulassen und Gefühle ernst nehmen

Wenn Ihr Kind weint, lassen Sie es weinen. Wir Eltern neigen dazu, Kinder dazu aufzufordern, nicht zu weinen. „Ach, ist ja schon gut“ oder „das hat doch gar nicht wehgetan, kein Grund zu weinen“.

Das sind lieb gemeinte Sätze. Ich habe das selbst so gemacht und es rutscht mir gelegentlich raus. Aber wir sollten unsere Kinder und ihre Gefühle ernst nehmen. Auch wenn das bedeutet, dass sie weinen.

Es ist klar, dass wir sie trösten möchten. Aber unseren Kindern die Gefühle absprechen, tröstet eigentlich nicht. Wenn wir unseren Kindern sagen: „Kein Grund zu weinen“, glauben sie uns im Normalfall. Dennoch weinen sie, weil ihnen ihr Gefühl es sagt. Sie sind überwältigt von einem Gefühl und ihre Reaktion ist weinen.

Besser wäre es, unsere Kinder einfach in den Arm zu nehmen und zu trösten. Wenn sich Kinder etwas beruhigt haben, kann man dann mal anfangen, der Sache auf den Grund zu gehen und die Dinge beim Namen zu nennen. Also: ”Du hast jetzt aber ordentlich geweint. Ich glaube, Du warst traurig, weil …“

Wenn wir das Gefühl haben, dass es unangebracht war zu weinen, dann können wir auch versuchen unseren Kindern den eigentlichen Grund zu erklären, warum es ihm/ihr vermutlich jetzt so schlecht geht. „Oje, du warst aber jetzt sehr traurig und hast viel geweint. Kann es sein, dass du auch schon müde bist und es für dich deshalb besonders schlimm war?“ Die meisten von uns kennen es ja, wenn Kinder müde sind oder Hunger haben, entgleitet eine Situation viel schneller.

Durch das Benennen lernen unsere Kinder ihre Gefühle besser wahrzunehmen und diese auch richtig zu benennen. Das geht nicht in Tagen, aber über Monate wirkt es sich förderlich aus.

Info
Oft werden Gefühle durch andere Grundbedürfnisse verstärkt.

Stärken Sie ihr Kind mit positiven Erfahrungen

Manchmal sammeln Kinder woanders schlechte Erfahrungen, wenn sie Gefühle zeigen. Es kommt vor, dass Kindern von anderen gehänselt oder ausgelacht werden, wenn sie weinen. Dadurch entsteht bei den Kindern Scham. Kommt das öfter vor, versuchen unsere Kinder diese Situation zu vermeiden und lernen daher das Weinen zu unterdrücken.

In diesem Fall können Sie versuchen, Ihr Kind zu stärken, indem Sie es ernst nehmen in seinen Bedürfnissen und Gefühlen. Sie können Ihr Kind auch loben, wenn Ihnen auffällt, dass Ihr Kind seine Anliegen gut mitgeteilt oder auch sein Gefühl richtig benannt hat. Das sind wichtige Voraussetzungen, um konstruktiv mit den eignen Gefühlen umgehen zu können.

Je selbstsicherer Ihr Kind ist, desto besser kann es auch mit negativen Erfahrungen umgehen und diese wegstecken. 

Hier können Sie mehr Tipps lesen, wie Sie Ihr Kind stärken können. 

Hohe Frustrationsgrenze

Nur weil wir es traurig finden, heißt das nicht immer, dass es auch für unsere Kinder traurig ist. Manche Kinder haben eine recht hohe Toleranz, bis sie tatsächlich zum Weinen anfangen. Das gilt für Traurigkeit genauso wie für Schmerz. Versuchen Sie zu unterscheiden, ob Ihr Kind tatsächlich das Weinen unterdrückt oder es einfach nicht traurig ist. Oftmals verziehen Kinder, die Weinen unterdrücken, den Mund nach hinten und haben glasige Augen. Sie ziehen auch häufig das Kinn zur Brust.

Das Kind unterdrückt Weinen und andere Gefühle

Durch Selbstregulation lernen Kinder in einem angemessenen Ausmaß Gefühle zu zeigen: Das will allerdings gelernt sein und hängt auch von anderen Umständen, wie Tagesverfassung und Bedürfniserfüllung ab.

Kinder, die Gefühle unterdrücken, haben schon eine sehr starke Selbstregulation. Gefühle nicht hochkommen zu lassen, erfordert nämlich ziemlich starke Kontrolle und auch Wissen über die eigenen Reaktionen.

Aber im Zuge der Kontrolle der eigenen Gefühle ist es auch wichtig, dass unsere Kinder lernen, dass es in Ordnung ist Gefühle zu zeigen. In unserer Gesellschaft gibt es eindeutig Gefühle, die eher gelobt und somit gefördert werden als andere. Freude wird zum Beispiel gerne gesehen und auch oft positiv von uns Eltern angemerkt. Zusätzlich zu der eigentlichen positiven Erfahrung, die mit der Freude einhergeht und diese ohnehin schon verstärkt.

Zornig oder traurig sein wird allerdings nicht so gerne gesehen und noch seltener gelobt. Allerdings sind diese Gefühle ganz normal und gehören zu uns Menschen dazu. Wir müssen unseren Kindern nur lernen, wie sie diese angemessen zeigen können. Unterdrückung ist keine angemessene Art und Weise, mit Gefühlen umzugehen. Die Gefühle verschwinden nicht, weil wir unseren Kindern sagen, sie „brauchen aber keine Angst zu haben“ oder „es war gar nicht so schlimm.“ So lernen unsere Kinder nämlich nur, dass sie auf sich nicht vertrauen können und ihre Gefühle falsch sind. 

Es ist auch ganz normal, dass Kinder die Gefühle vermischen und verwechseln. Hier ist es unsere Aufgabe als Erwachsener ihnen dabei zu helfen, indem wir für sie ihre Gefühle und Reaktionen benennen. Wenn sich alles beruhigt hat und unsere Kinder wieder aufnahmebereit sind, können wir dann mit ihnen gemeinsam Wege und Strategien erarbeiten. Diese sollen ihnen helfen, ihren Gefühlen angemessen ihren Lauf zu lassen. 

Also weinen zum Beispiel und sich an eine Vertrauensperson wenden, oder schreien und stampfen bei Wut. Einfach gemeinsam Wege finden, die für Ihr Kind passen und andere und sie selbst nicht verletzen.

Tipp
Kinder können ihren Gefühlen manchmal besser freien Lauf lassen, wenn sie sich sicher fühlen. Also unter Vieraugen, zu Hause, am Schoss von Mama und Papa.

Mein Kind weint nie

Manche Eltern berichten, dass Ihr Kind nie weint. Ist das bei Ihnen der Fall, sollten Sie mal beobachten, warum das so ist. 

  • Hat Ihr Kind nie negative Erfahrungen?
  • Hat es eine sehr hohe Grenze für Frustration oder Schmerz
  • Zeigt es seine Gefühle vielleicht auf andere Art und Weise?

Lassen Sie Ihr Kind auch schlechte Erfahrungen sammeln

Lassen Sie ihr Kind alle Erfahrungen machen, solange es sich nicht selbst oder andere gefährdet. Ein Kind sollte lernen, dass es sich die Finger einzwickt, wenn es eine Lade zumacht und sie drinnen sind. Dass es weh tut, wenn ein Stein auf den Fuß fällt oder dass Mama nicht immer sofort Zeit hat, wenn ihm langweilig ist.

Ich bin nicht dafür, dass Sie Ihr Kind in ernsthafter Gefahr sein lassen, aber es darf lernen und soll Erfahrungen sammeln. Und da gehören schlechte Erfahrungen genauso dazu wie gute Erfahrungen. Ich bin der Meinung, dass wir nicht alles Schlechte für unsere Kinder aus dem Weg räumen sollten. Außer natürlich, es handelt sich um offensichtliche und schwerwiegende Gefahren. 

Aber natürlich kann das ein Grund dafür sein, dass Ihr Kind kaum weint: weil es schlichtweg keinen Grund dafür hat.

Hohe Frustration- oder Schmerzgrenze

Wie oben schon erwähnt haben manche Kinder einfach eine sehr hohe Grenze für Frust, Wut oder auch Schmerz. Es macht ihnen einfach nicht so viel aus, wie wir meinen würden. Sie sind sozusagen: hart im Nehmen. 

Versuchen Sie auch, Ihr Kind nicht zu vergleichen. Kein Kind ist gleich, auch Geschwister nicht. Und bei Sachen, wo das eine Kind schon längst weint, weint der andere einfach noch lange nicht. Die individuelle Wahrnehmung, die eignen Grenzen, das Selbstbewusstsein, die Eltern-Kind-Beziehung, aber auch das Temperament, die Tagesverfassung und familiäre Umstände haben starken Einfluss auf das Erleben und Verhalten unserer Kinder. Dies ist von Kind zu Kind sehr verschieden, aber auch bei einem Kind sehr unterschiedlich und von all diesen Faktoren, und in Wirklichkeit von noch mehr, abhängig.

Sollten Sie sich in dieser Hinsicht Sorgen machen, wenden Sie sich an Ihren Kinderarzt.

Beobachten Sie Ihr Kind genau

Manche Kinder haben weinen nicht als Reaktion auf ein bestimmtes Gefühl wie Wut oder Trauer für sich entdeckt. Gerade Trauer zeigt sich bei Kindern nicht wie bei Erwachsenen und daher oftmals auch nicht mit weinen. Fast immer lassen sich allerdings andere Verhaltensweisen bei unseren Kindern beobachten.

Manche Kinder sondern sich ab und sind dann lieber mehr alleine, manche Kinder kuscheln mehr als gewöhnlich und manche Kinder sind sehr aufgedreht, wütend oder einfach still. Oftmals ist es schwer für uns Erwachsene zu sehen, aber im Normalfall gehen Kinder mit ihren eigenen Gefühlen einfach auf ihre eigene Weise um. Nur weil ihr Kind still ist und gerne alleine spielt, wenn es traurig ist, heißt das nicht, dass es seine Gefühle unterdrückt. Es weint nur nicht, sondern zeigt seine Gefühle eben anders.

Sie können versuchen, Ihr Kind darauf anzusprechen und die Situation mit ihm/ihr zu besprechen. 

Ab dem Kindergartenalter können Kinder in ihrer Weise meist schon recht gut klarmachen, wie es ihnen geht. So können Sie passend auf die Situation eingehen und Ihr Kind trösten.

Achtung
Kinder müssen nicht weinen, um traurig zu sein

Mein Kind weint nicht bei Schmerz

Normalerweise werden Reflexe schon gleich nach der Geburt bei Neugeborenen getestet. Hätte es in dieser Hinsicht Auffälligkeiten gegeben, wüssten Sie es also schon. Aber wenn Sie sich Sorgen machen, dann wenden Sie sich bitte an Ihren Kinderarzt.

Psychologisch fallen mir zwei Gründe ein, warum Ihr Kind nicht weint, wenn es Schmerzen hat:

  1. Ihr Kind zeigt anderes Verhalten, mit dem es seinen Schmerz ausdrückt. Weinen gehört für Ihr Kind einfach nicht zum Gefühl Schmerz. Viele Kinder reagieren zwar mit Weinen auf Schmerz, aber natürlich ist es kein Muss. Alles ist erlaubt, sozusagen. Und solange Ihr Kind es Ihnen sagt und auf seine Art und Weise reagiert, ist alles bestens. Schmerz kann auch, wie bei Traurigkeit schon erwähnt, zur Wut führen oder zu Rückzug führen. Nur weil es eine häufige Art ist auf Schmerz zu reagieren, ist es nicht ungesund oder gar bedenklich, wenn Ihr Kind anders auf Schmerz reagiert. Es ist nur wichtig, dass es bei Bedarf Hilfe sucht und weiß, wohin es sich wenden kann.
  2. Wie schon erwähnt, neigen wir Erwachsene dazu, unsere Kinder in ihren Gefühlen nicht ernst zu nehmen. Manchmal ist es unsere Art, sie zu trösten. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, „das kann doch gar nicht wehtun“. Ich will nicht sagen, dass das nie zutrifft. Allerdings gibt es einen Grund, warum Kinder weinen. Das heißt, auch wenn es nicht der Schmerz war, war es vielleicht der Schreck oder die Wut, warum unser Kind geweint hat. Wir vermitteln unseren Kindern mit solchen Sätzen, dass das Gefühl nicht richtig war. Egal, um welches es sich tatsächlich gehandelt hat. Und deswegen weinen sie dann in solchen oder ähnlichen Situationen auch nicht mehr. Unsere Kinder entwickeln andere Methoden, um auf diese Situationen zu reagieren. Aber natürlich empfiehlt es sich, unseren Kindern ihren Weg Gefühle zu zeigen zuzulassen. Es kann sich nämlich auch schlecht auf das Selbstbild und den Selbstwert auswirken.

Fazit

Wenn Ihr Kind nicht weint, ist es prinzipiell kein Anlass zur Sorge. Gefühle unterdrücken ist jedoch nicht der optimale Weg, mit seinen Gefühlen umzugehen. Hier rate ich dazu, dass Sie der Ursache auf den Grund gehen, versuchen Ihr Kind ernst zu nehmen und zu unterstützen eine Möglichkeit zu finden, wie es welche Gefühle ausleben kann.

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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