So können Sie Ihrem Kind die Angst vor Neuem nehmen

Neue Situationen sind für viele Kinder eine große Herausforderung. Wie sie damit umgehen, ist jedoch sehr individuell. Manche Kinder brauchen Mama oder Papa, um eine neue Situation zu meistern, andere orientieren sich kurz und legen dann schon mit dem Spielen los. Wir als Eltern können unseren Kindern aber helfen, Ängstlichkeit zu überwinden und sich in neuen Situationen zurechtzufinden. Wir können:

  • Vorbereiten
  • Üben
  • Erfahrungen sammeln lassen
  • Vereinbarungen treffen
  • Loben
  • Vorbildsein
  • Rückhalt bieten
  • Sicherheitsobjekt mitnehmen
  • Nachbesprechen

Die Ursache für ängstliche Kinder?

Die Ursache für Ängstlichkeit ist natürlich individuell sehr unterschiedlich. Häufig liegt es an:

  • Sozialer Angst
  • Schüchternheit
  • Ungewissheit
  • Unsicherheit
  • Überforderung

Kinder werden viel eher von einer neuen Situation überrascht als wir Erwachsene. Das liegt daran, dass sie oft nicht so genau wissen, was am Tagesplan steht und was sie zu erwarten haben. Logisches Denken und Schlussfolgern bilden sich erst am Ende der mittleren Kindheit. Außerdem sind sie einfach aufgrund fehlender Erfahrungen mit nicht so vielen Situationen vertraut, wie wir Erwachsenen. Das alles führt dazu, dass unsere Kinder einfach nicht wissen, was auf sie zukommt. Dadurch ist die Ungewissheit und der Überraschungseffekt in vielen Situationen recht hoch. Gibt es zu viele neue Faktoren in einer Situation und kommen eventuell auch noch weitere Stressfaktoren dazu, wie Lärm beispielsweise, sind unsere Kinder dann schlicht überfordert mit der neuen Situation. Bei vielen Kindern kommt auch noch dazu, dass sie schüchtern sind. Das stellt dann nochmals eine weitere Herausforderung und Stressfaktor dar. Wie Sie Ihrem Kind bei Schüchternheit helfen können, habe ich hier für Sie zusammengefasst.

Ein eigener Punkt ist auch die soziale Angst dar. Ungefähr 10 % aller Jugendlichen leiden darunter.

Menschen mit einer sozialen Phobie fürchten, von anderen Menschen als merkwürdig, peinlich oder gar lächerlich empfunden zu werden. Ihr Verhalten (z. B. wie sie gehen, essen oder reden) oder sichtbare Zeichen ihrer Angst (z. B. Erröten, Schwitzen oder Zittern) sind ihnen peinlich.

Psychenet

Dadurch werden Situationen gemieden, in denen die Möglichkeit besteht, von anderen Menschen beurteilt oder auch einfach nur beobachtet zu werden. Häufig betrifft das auch Situationen, in denen sie mit anderen in Kontakt treten müssen oder sollten. Genaueres über soziale Phobie und wo Sie Hilfe bekommen, können Sie in diesem Factsheet der Philipps Uni Marburg nachlesen.

Die ersten Symptome treten meist zwischen dem 10. und dem 15. Lebensjahr auf. Schüchternheit und Angst vor Neuem zählen NICHT zur Sozialphobie, sind aber sehr wohl als ursprüngliche Auslöser zu sehen.

Schüchternheit und Angst vor Neuem sind normal und sind keine Erkrankung! Allerdings dürfen sie das Leben des Betroffenen nicht massiv einschränken oder gar ein Leidensdruck daraus entstehen. Spätestens dann ist es Zeit, sich Hilfe zu holen.

Aber auch schon davor gibt es einiges, was wir dagegen unternehmen können. Dazu später aber noch mehr.

Wie äußert sich Unsicherheit bei Kindern?

Unsicherheit und Schüchternheit äußert sich primär darin, dass sie versuchen der Situation aus dem Weg zu gehen. Welche Taktik sie dazu anwenden, ist aber je nach Kind unterschiedlich. Manche verstecken sich bei oder hinter Mama oder Papa, andere machen davor schon einen riesigen Aufstand. Es gibt natürlich auch Kinder, die weinen oder sich still in eine Ecke setzen. Das Repertoire geht sogar bis zu körperlichen Symptomen. Manchmal sind es „vorgetäuschte“ Bauchschmerzen oder sogar tatsächlich reales Unwohlsein. Also, die Palette reicht hier von besonders aufgedreht und laut bis zu ganz klein machen und leise sein. Aber, immer wenn sich ein Kind untypisch verhält, also wenn es nicht ist wie sonst, kann Unsicherheit dahinterstecken.

Mein Kind tut sich schwer mit einer neuen Situation

Die Abgrenzung von „normal“ zu „auffällig“ ist schwer zu treffen und ist keinesfalls immer eindeutig. Neue Situationen sind für Kinder einfach eine große Herausforderung, zu viele ungewisse Faktoren strömen auf die Kinder ein und dadurch sinkt die Sicherheit und steigt die Angst oder zumindest das Unwohlsein. Denken Sie daran, wenn Sie von Ihrem Chef ins Büro zitiert werden und Sie plötzlich und ohne Vorwarnung einen Vortrag vor Ihnen unbekannten, aber dennoch für die Firma wichtigen Menschen halten müssen. Den meisten von uns würde auch blitzartig unwohl sein, wir wären nervös und auch etwas überfordert. Das passiert unseren Kindern aus oben genannten Gründen einfach häufiger.

Achtung
Eine neue Situation ist etwas, auf das sich Ihr Kind nicht vorbereiten konnte oder sie es nicht gewohnt ist. Dazu zählen auch Menschen, die es nicht gewohnt ist.
Wenn die Saftflasche nicht genau dort zu finden ist, wo sie immer steht, stellt das keine neue Situation in Sinne des hier besprochenen dar. Reagiert Ihr Kind häufig mit starken Gefühlsausbrüchen auf solche „ungewohnten“ Situationen, ist dies gesondert zu betrachten und bei Sorgen wenden Sie sich bitte auch an Ihren Kinderarzt. 

Wie traut sich mein Kind mehr in neuen Situationen zu?

Jetzt wissen wir, woher es kommen kann und wie sich Angst in neuen Situationen äußert. Besonders wichtig ist es aber auch, dass wir als Eltern nicht nur zusehen, sondern unsere Kinder dabei unterstützen können, sich in neuen Situationen mehr zuzutrauen und selbstbewusst neuen Situationen zu begegnen.

So rüsten Sie Ihr Kind für neue Situationen:

  1. Vorbereiten

    Bereiten Sie Ihr Kind so gut es geht auf die Situation vor. Mit Hilfe eines Tages- oder Wochenplanes (Werbung) können Sie die Tage übersichtlicher gestalten und Termine visualisieren. Kleine Kinder benötigen eher Tagespläne. Ab dem Zeitpunkt, wo sie zählen können, können Sie auch einen Zeitverlaufsbalken erstellen, bei dem Tage abgehackt oder angemalt werden, bis zum Tag X, an dem diese neue Situation eintritt.

  2. Üben

    Erfordert die neue Situation bestimmte Fertigkeiten, können Sie das vorab mit Ihrem Kind üben. Auch wenn es nur vermeidliche Kleinigkeiten sind, wie in einen Gruppenraum gehen. Sie können es im realen Umfeld üben oder zuerst spielerisch, mit Stofftieren oder anderen Spielzeug durchspielen. Auch so werden unsere Kinder mit der neuen Situation vertrauter.

  3. Erfahrungen sammeln lassen

    Auch, wenn die neue Situation für unsere Kinder eine große Herausforderung ist und es vielleicht Angst davor hat, ist es ratsam, dass Sie Ihr Kind nicht aus der Situation herausnehmen, um es ihm/ihr zu ersparen. Wir sollten unserem Kind in dieser Situation Halt und Geborgenheit geben und es langsam heranführen und gewöhnen. So lernt es die neue Situation besser kennen und eines Tages wird sie zur Gewohnheit. Unsere Kinder lernen sehr viel durch eigene Erfahrung, das sollten wir ihnen nicht nehmen.

  4. Vereinbarungen treffen

    Wenn Sie die neue Situation vorab besprechen, können Sie auch Vereinbarungen mit Ihrem Kind für die Situation treffen. Versuchen Sie herauszufinden, was Ihr Kind vermutlich in der Situation benötigen wird und wie Sie einen sicheren Rahmen schaffen können. Dann besprechen Sie das mit Ihrem Kind und klären auch klar die Rahmenbedingungen, an die Sie und Ihr Kind sich halten sollten. Natürlich sollten diese Vereinbarungen am besten gemeinsam getroffen und nicht einseitig diktiert werden. Das können auch schon kleine Kinder, zumindest wenn wir ihnen eine Auswahl geben.

  5. Loben

    Wenn sich Ihr Kind in einer neuen Situation bemüht und versucht Fortschritte zu machen oder an die eigenen Grenzen geht, sollten Sie es auf jeden Fall loben. Lob für Anstrengung und Bemühung zeigt unseren Kindern Anerkennung und Respekt. Das motiviert sie zusätzlich dranzubleiben, auch, wenn es vielleicht nicht wie gewünscht funktioniert hat. Alle Informationen zum richtigen Loben können Sie hier nachlesen.

  6. Vorbild sein

    Wir Eltern sind für unsere Kinder ein Vorbild. Sie schauen sich vieles von uns ab und lernen so die unterschiedlichsten Dinge. Auch der Umgang mit Neuem zählt hier dazu. Daher ist es hilfreich, auch den eigenen Umgang mit Neuem zu hinterfragen und zu beobachten. Sie können es auch direkt ansprechen, wenn Sie nervös sind oder ein mulmiges Gefühl haben und dann Ihrem Kind zeigen, wie Sie damit umgehen. Ich habe genauere Details zum Vorbildsein in diesem Artikel zusammengefasst.

  7. Rückhalt bieten

    Wie schon erwähnt, ist es enorm wichtig unseren Kindern Sicherheit und Halt zu geben. Besonders natürlich in Situationen, in denen sie sich sonst dieses Bedürfnis nicht erfüllen können. Wie das genau aussieht, ist natürlich individuell unterschiedlich. Für manche Kinder ist es wichtig, dass wir einfach erreichbar sind, andere brauchen uns Eltern in Sichtweite und wieder andere brauchen uns greifbar. Auch dazu können Sie sich in diesen Artikel näher informieren.

  8. Sicherheitsobjekt mitnehmen lassen

    Ein Objekt, dass den Kindern Sicherheit gibt, hilft ihnen in neuen Situationen mutig zu sein. Damit meine ich ein vertrautes, geliebtes Objekt, wie das Schmusetuch, Kuscheltier oder die heiß geliebte Puppe. Diese vertrauten Gegenstände geben Kindern Sicherheit. Sicherheit to Go sozusagen. Ein vertrautes Stück von zu Hause kann in so manchen ungewissen Situationen wahre Wunder wirken und unseren Kindern den Mut verleihen, den sie brauchen. Besonders, wenn wir das vorher vielleicht noch besprechen und dem Lieblingsding besondere Fähigkeiten zuschreiben, wie dass es ein Schutzengel oder ein Mutmacher ist.

  9. Plan für Unvorhersehbares ausmachen

    Es kann natürlich in jeder Situation etwas Unvorhergesehenes geschehen. Auch, wenn wir den besten Plan haben, kann etwas anders dazwischenkommen. Das kennen wir Eltern nur zu gut. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir unsere Kinder auf solche Unvorhergesehenes vorbereiten. Wir sollten ihnen erklären, dass dies und jenes wahrscheinlich so ist, aber dass es nur eine Vermutung ist, nichts absolut fixes. Und dann können Sie auch noch so eine Art Notfallplan besprechen, wie, wo Sie sind oder an wem sich Ihr Kind wenden kann, wenn es traurig oder unsicher ist. Aber auch, welche anderen Möglichkeiten es hat, wie sich Ihr Kind verhalten kann und andere hilfreiche Angebote dazu vorbereiten.

  10. Nachbesprechen

    Solch neue Situationen sollten auch mit den Kindern nachbesprochen werden. Was ist gut gelaufen, was nicht so, welche Möglichkeiten hätte Ihr Kind noch gehabt, wie hätte es sich auch verhalten können und vielleicht auch, was Sie beobachtet haben und wovon Sie selbst überrascht worden sind. Solch eine Nachbesprechung hilft unseren Kindern, die Situation etwas aufzuarbeiten und bietet gleichzeitig Lernmöglichkeiten.

Allgemeines zu Unsicherheit in neuen Situationen

Im Allgemeinen gilt, je selbstbewusster Kinder sind, desto leichter kommen sie auch mit ungewohnten und stressigen Situationen zurecht. Allerdings hängt es sehr stark von der Tagesverfassung und den Umweltfaktoren ab. Nicht immer ist man stark und mutig, manchmal benötigt man auch eine Schulter zum Anlehnen. Klar ist das auch bei unseren Kindern so. Das ist in Ordnung, jeder darf mal schwach sein und es zeigen. Es ist wichtig, hier unseren Kindern Offenheit und Ehrlichkeit entgegenzubringend und nicht Scham bei ihnen zu erzeugen.

Mehr zu entwicklungsbedingten Ängsten habe ich noch in einem separaten Beitrag zusammengeschrieben.

Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
© Copyright 2021 - Ines Wurbs
HOMEÜBER MICHBLOG
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram