Sensorische Integration – Hintergründe und Anwendung

Die sensorische Integration ist ein wichtiger Bestandteil der kindlichen Entwicklung, der es ermöglicht zu:

  • Fühlen,
  • sprechen,
  • kommunizieren,
  • Bewegung,
  • Bewegungen anzupassen,
  • im Raum zurechtzufinden,
  • Gleichgewicht zu halten,
  • Gefühle zu vergleichen,
  • Situationen einzuschätzen,
  • sich selbst einzuschätzen,
  • Vertrauen aufzubauen,
  • sich sicher zu fühlen,
  • Erwartungen zu bilden oder
  • Gefahren zu erkennen.

Die sensorische Integration kann allerdings auch unzureichend ausgebildet sein oder Kinder können schlicht Schwierigkeiten damit haben. Was Sie in diesem Fall machen können, verrate ich hier.

Was ist sensorische Integration?

Bei der sensorischen Integration geht es um unsere Sinne und die Verarbeitung dieser. Sie ist besonders in der kindlichen Entwicklung essenziell und ermöglicht unseren Kindern überhaupt erst zu handeln und sich und andere wahrzunehmen.

Alle Reize müssen wahrgenommen, im Gehirn verarbeitet, gespeichert und mit bereits Erlebtem verglichen werden. Dies erfolgt unbewusst und ist stark von den eignen Gefühlen, der Tagesverfassung und dem Reiz selbst abhängig.

Dabei gibt es Reize von außen, also auch Reize, die von innerhalb unseres Körpers kommen. Im Wesentlichen unterscheiden wir Nahreize von Fernreizen. Wobei alle Reize bei uns Reaktionen auslösen können, sei es motorisch, emotional oder auch eine soziale Reaktion.

Die Nahsinne sind:

  • Tastsinn, dieser wird durch Berührungen, aber auch Temperatur ausgelöst.
  • Gleichgewichtssinn, dieser ist wichtig für die Bewegung, die Ausrichtung im Raum, das Aufrichten und auch für die Aufmerksamkeit.
  • Bewegungssinn, dieser stellt die Informationen aus den Muskeln, Sehnen, Gelenken und Nerven dar, die aus unserem eignen Körper kommen.

Die Fernsinne sind:

  • Sehsinn
  • Geruchssinn
  • Gehörsinn

Das gute Wahrnehmen der eigenen Sinne ist enorm wichtig beim Erlernen wichtiger Grundkompetenzen im Kindesalter. Angefangen von der Grob- und Feinmotorik, über die Sprache bis hin zur Konzentration und sozialen Verhalten. Eine ebenso besondere Rolle spielt die sensorische Integration bei der Selbstwahrnehmung. Die Wahrnehmung des eignen Körpers ist enorm wichtig und erstreckt sich in alle Bereiche unseres Lebens, wie Selbstbewusst sein, soziales Miteinander und in unsere Gefühlswelt.

Was ist eine sensorische Integrationsstörung?

Wir sprechen von einer sensorischen Integrationsstörung, wenn ebendiese Verarbeitung und Aufarbeitung der wahrgenommenen Reize nicht ausreichend funktioniert. Dadurch fällt es den Kindern schwer, alltägliche Aufgaben nachzugehen.

Die Ursachen sind nicht zur Gänze geklärt. Angenommen wird, dass es unterschiedliche Auslöser geben kann:

  • Mangelnde Sinnesreize nach der Geburt
  • Frühgeburt
  • Vererbung
  • Umweltgifte
  • Mangelnde Sauerstoffversorgung vor, während oder nach der Geburt

Die Ausprägung einer sensorischen Integrationsstörung kann recht unterschiedlich sein. Im Grunde werden Untersensibilität und Übersensibilität unterschieden. Bei beiden Kategorien gibt es zahlreiche Abstufungen, genauer gesagt eine große Bandbreite von Ausprägungen.

Nicht jedes Kind, dass nicht gerne mit Sand spielt, hat eine sensorische Integrationsstörung und sollte behandelt werden. Im Folgenden habe ich einige Punkte zusammengeschrieben, auf die Sie achten können und bei denen Sie handeln sollten:

Wann benötigt mein Kind sensorische Integrationstherapie?

Um festzustellen, ob Ihr Kind eine sensorische Integrationstherapie oder Unterstützung in irgendeiner Form braucht, ist es wichtig auf die Merkmale zu achten, die Schwierigkeiten bei der sensorischen Integration andeuten. Eine sensorische Integrationsstörung kann folgende Auswirkungen haben:

Untersensibilität (Hyposensibilität)

Probleme in der Wahrnehmung im Bereich der Haut:

  • Herabgesetztes Schmerzempfinden
  • Merkt kurze und zufällige Berührungen nicht
  • Suchen Berührungen
  • Ungeschickt im Umgang mit kleinen Gegenständen
  • Generell auffällige Feinmotorik (malt nicht gerne, verkrampft beim Stifte halten …)
  • Merkt nicht, wenn es sich schmutzig macht
  • Nimmt viele Gegenstände in den Mund
  • Spielt weniger

Probleme beim Gleichgewichtssinn:

  • Reizsuche, versuchen den Mangel an Reizen selbst auszugleichen und zeigen daher, „wildes“ Verhalten. Schaukeln besonders hoch, sind eher zappelig und unruhig.
  • Tun sich schwer, Gefahren einzuschätzen.
  • Verlieren schnell das Gleichgewicht
  • Koordinationsschwierigkeiten (Hüpfen, klatschen, Hampelmann fallen schwer)
  • wirken unaufmerksam und verträumt

Probleme im Bereich Tiefenwahrnehmung:

  • Schwierigkeiten beim Lernen neuer motorischen Fertigkeiten
  • wirkt ungeschickt
  • mögen das Spielen mit schweren Gegenständen
  • schlaffe Haltung
  • stützen Kopf gerne und häufig in die Hände
  • Kraft wird nicht entsprechend angepasst und dosiert
  • Gehen eher auf den Zehenspitzen
  • Knirschen häufig mit den Zähnen
  • Haben keine gefestigte Seitenpräferenz
  • Verkrampfen sich beim Malen, schreiben und anderen feinmotorischen Aufgaben

Übersensibilität (Hypersensibilität)

Probleme in der Wahrnehmung im Bereich der Haut:

  • Vermeiden Berührungen
  • vermeiden gewisse Materialien (Sand, Schaum, Schleim, Fingerfarben …)
  • spielen lieber allein
  • möchten nicht die Hand geben
  • Unabsichtliche und leichte Berührungen werden als sehr störend empfunden und abgewehrt
  • Schmutz stört
  • Schwierigkeiten bei der Körperpflege (Zähneputzen, Haare waschen …)
  • verweigern gewisses Essen

Probleme beim Gleichgewichtssinn:

  • Werden schnell schwindelig
  • Vermeiden Bewegungen
  • Vermeiden Lageveränderungen
  • sind ängstlich bei wilden, schnellen Bewegungsspielen

Ob Ihr Kind eine sensorische Integrationstherapie braucht oder nicht, entscheidet ein Therapeut. In diesem Fall sind Ergotherapeuten zuständig. Wenden Sie sich bei Sorgen an Ihrem Kinderarzt, der schreibt Ihnen bei Bedarf dann eine Überweisung.

Sie können natürlich auch einen privaten Ergotherapeuten aufsuchen. Hier sind die Wartezeiten kürzer, müssen allerdings selbst bezahlt werden. Wobei die Rechnung rückwirkend bei der Krankenkasse eingereicht werden kann und auch zum Teil übernommen wird. Wie viel dann an Kosten übrig bleibt, hängt vom Honorar ab, das können Sie beim Therapeuten Ihrer Wahl erfragen.

Auch Kassenplätze sind vorhanden, hier müssen Sie jedoch mit einer längeren Wartezeit rechnen, dafür rechnet der Therapeut direkt mit der Krankenkasse ab und für Sie entstehen keinerlei Zusatzkosten.

Info
Nicht jede Schwäche benötigt zwingend eine Therapie. Zahlreiche leicht Formen können auch zu Hause mit Übungen gut kompensiert und aufgefangen werden. Wichtig ist Regelmäßigkeit und Ausdauer bei den Übungen.

Übungen für sensorische Integration

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Um Ihr Kind zu Hause gezielt unterstützen zu können, habe ich hier einige Übungen für Sie herausgesucht. Nehmen Sie sich bewusst mehrmals die Woche 15 Minuten Zeit, um diese oder ähnliche Übungen einzubauen.

Regentropfen klopfen

Es regnet kleine Tropfen,
(Finger in der Luft von oben nach unten bewegen)

die leise, leise klopfen.
(leise mit allen Fingern auf die Tischplatte klopfen)

Sie fangen an zu klatschen,
(laut mit der flachen Hand auf die Tischplatte klatschen)

zu pitschen und zu patschen.
(laut in die Hände klatschen)

Sie prasseln auf das Dach
(kräftig mit allen Fingerspitzen auf die Tischplatte klopfen)

und fließen fort als Bach.
(Hände in der Luft wellenförmig bewegen)

Anleitung: In diesem Spiel geht es darum, den eignen Körper zu spüren und Intensitäten zu regulieren, also stark und schwach zu klopfen.

Varianten: Sie können dann auch das Kind auf den Boden legen lassen und Sie spielen die Regentropfen auf dem Körper des Kindes. Mit oder ohne Sprüchlein. Lassen Sie die Finger sanft einzeln oder als Prasseln mit mehreren Fingern auf den verschiedenen Körperstellen des Kindes regnen. Dabei können Sie den Druck und die Fingeranzahl immer wieder variieren.

Massagebälle

Lassen Sie Ihr Kind mit Bällen verschiedenster Art experimentieren. Kleine, große, harte, weiche, mit Löchern oder Noppen. Die unterschiedlichen Bälle können nacheinander angefasst, gedrückt oder auch gerollt werden. Schlagen Sie auch vor, die Bälle über den Körper rollen zu lassen. Die Arme rauf, über den Bauch, die Beine, vielleicht auch auf den Kopf. Ganz nach Vorlieben und Ideen der Kinder.

Sie können auch einen Pezziball nehmen. Achten Sie dabei aber darauf, dass Sie ihr Kind sichern und keine Kanten oder Ecken in der Nähe sind. Ihr Kind kann sich mit dem ganzen Körper darauf legen und hin und her wippen oder sitzen und auf und ab wippen und dergleichen.

Blind Tasten

Legen Sie zwei sehr unterschiedliche Gegenstände in eine Schachtel oder unter ein Tuch und lassen Sie Ihr Kind diese ertasten. Es kann raten, was es ist, oder auch nur beschreiben, wie sich die Gegenstände anfühlen. Am besten, Sie nehmen gegensätzliche Materialien. Eventuell ein weicher, flauschiger Ball und ein Stück Schleifpapier. Es können und sollten Gegenstände aus dem Alltag sein, also was Sie so zu Hause haben.

Möchte Ihr Kind nicht „blind“ ertasten, können Sie es natürlich auch einfach ohne Versteck machen.

Hindernisparcours

Entweder draußen in der Natur mit Steinen, Baumstämmen und alles, was sich anbietet oder auch gerne drinnen mit Polster, Decken, Beteiligung der Couch und Sesseln. Wichtig ist dabei nur, auf die Sicherheit zu achten. Stellen Sie sicher, dass Gegenstände nicht unabsichtlich umkippen können oder stark wegrutschen, wenn Sie das nicht geplant haben. Sollten Sie bewegliche Elemente einbauen wollen, dann sagen Sie das Ihrem Kind zuvor. „Vorsicht, dieses Brett kippt“ zum Beispiel.

Wenn Sie Flusssteine (Werbung) oder Motorikmatten (Werbung) besitzen, sollten Sie natürlich auch diese einbauen. Oder Sie besuchen einen Motorikpark, Kletterpark oder Barfußweg in Ihrer Nähe. (Einfach mal nachgoogeln, ob es etwas Erreichbares gibt.)

9 Tipps, wie Sie sensorischen Integration zu Hause fördern können

Im Alltag lassen sich oft recht leicht Spiele einbauen, die die sensorischen Integration fördern. Wichtig dabei ist, geduldig zu bleiben und besonders die Sachen, die Frust auslösen, immer wieder zu üben. Am besten solche Aufgaben in kleine Schritte zerlegt. Manches muss einfach häufiger geübt werden. Generell hilft Struktur und Routine, sie fungieren als sichere Leitlinien im oft hektischen Alltag. Hier ein paar Tipps für zu Hause.

TEACCH Ansatz

Struktur und Routinen helfen Kinder, und speziell Kindern mit sensorischen Unsicherheiten, sich besser im Alltag zurechtzufinden und Sicherheit und Halt zu finden. Der TEACCH Ansatz strukturiert Zeit, Raum und Aufgaben und erleichtert so den Alltag. Lesen Sie hier mehr dazu.

Rituale und Routinen

Rituale und Routinen im Alltag erleichtern Abläufe und fördern das wichtigste Grundbedürfnis der Sicherheit. Mehr dazu können Sie hier nachlesen.

Fingerfarben

Malen mit den Fingern und den ganzen Händen, am besten auf großen Blättern oder gar Backpapier hilft Kindern, ihre Sensorik zu trainieren.

Schaum

Es gibt Schaum für die Badewanne oder Sie verwenden Rasierschaum oder auch parfümfreie Körpercreme auf einem Tablett. Die Kinder werden beginnen zu pantschen und zu matschen, auch wenn sie anfänglich möglicherweise zögerlich sind.

Reisschüssel

Eine Schüssel mit trockenem Reis oder auch Bohnen und andere trockene Lebensmittel verleitet die Kinder ihre Hände hineinzustecken, zu vergraben oder motivieren zum Umfüllen in andere Gefäße oder auf Löffel und dergleichen. Das trainiert die Feinmotorik und ist sensorisch ein vielseitiges Erlebnis.

Knete

Die meisten Kinder können Knete gut akzeptieren und es verleitet zusätzlich auch gleich zum Spielen. Abgesehen vom sensorischen Aspekt beflügelt Knete auch die Kreativität.

Sortierspeiel

Sortieren und Ordnen beruhigt Kinder nicht nur, sondern ist für die Feinmotorik und die Kraftausübung besonders wertvoll. Hierzu kann ich auch das Surplex Sortierbrett (Werbung) empfehlen.

Sand

Sand geht bei Kindern beinahe immer. Und der große Vorteil, wir Eltern müssen dabei auch nicht immer daneben stehen. Sandkisten am Spielplatz oder Graten sind da natürlich wahre Schatzgruben für die sensorische Integration. Für den Innenbereich kann ich Kinetic Sand (Werbung) empfehlen, meine Kinder lieben es.

Therapiedecke

Therapiedecken (Werbung) sind schwerer als normale Decken und „erden“ die Kinder. Diese angenehme Schwere beruhigt und ermöglicht das Ausgleichen der fehlenden Reize.

Zusätzliche Literatur

Sensorische Integration im Spannungsfeld zwischen Pädagogik und Therapie

Aggressive Kinder im Kindergarten

Kompetenz fördern

Wie man Kinder fördern kann

Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
© Copyright 2021 - Ines Wurbs
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