Warum schimpfe ich so viel mit meinem Kind?

Schimpfen ist ein Teil des Elterndaseins, der für uns Eltern oft Scham besetzt ist. Eigentlich wollten wir doch nie schimpfen und hatten oder haben meist die besten Absichten. Aber irgendwann „geht es dann nicht mehr anders“, so scheint es zumindest. Das ist auch tatsächlich so, denn zu diesem Zeitpunkt ist unsere Grenze meist erreicht. Wir können dann nicht anders als unseren Willen mit Machtausübung durchsetzen.

Was kann ich tun, wenn ich von meinem Kind genervt bin?

Zunächst einmal ist es wichtig, sich zu beruhigen und, soweit möglich, sich außer Situation zu bringen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Hier ein paar Ideen dazu:

  • Hören Sie auf zu diskutieren und gehen Sie ein Stück weit weg (sofern es das Alter des Kindes und Situation zulassen).
  • Setzen Sie klar Ihre Grenzen und gehen Sie nicht bis zum Äußersten.
  • Schaffen Sie sich Erholungszeiten.
  • Nehmen Sie Hilfe von außen in Anspruch (Freunde, Familie, Kindergarten, Schule oder andere Institutionen und Vereine, die Beschäftigungen oder Betreuung für Kinder anbieten).
  • Versuchen Sie herauszufinden, was genau Sie nervt.
  • Versuchen Sie, diese Auslöser zu beseitigen.
  • Sprechen Sie offen und ehrlich mit Ihrem Kind darüber.
  • Legen Sie sich einen Satz oder eine Handlung bereit, der/die Sie beruhigt (Sagen Sie Ihrem Kind sagen, dass Sie es lieben, tippen Sie sich auf den Handrücken, durchatmen …)
Wichtig
Generalisieren Sie Situationen, die Sie nerven, nicht!
 Hacken Sie so eine Situation ab und lassen Sie sich dann auf die Neue ein. Ohne Rache oder Trotz.

Warum ärgert mich mein Kind?

Wir können davon ausgehen, dass Kinder bis ungefähr zum 9. Lebensjahr zu egozentrisch sind, um uns gezielt zu ärgern. Das klingt möglicherweise abwertend, aber tatsächlich entwickelt sich die Perspektivübernahme erst in diesem Alter vollständig. Davor haben Kinder diese Fähigkeit noch nicht gänzlich. Ab ungefähr dem sechsten Lebensjahr ist die Empathie, also das Mitgefühl, schon hervorragend ausgeprägt, aber um den gesamten Blickwinkel des anderen einnehmen zu können, braucht es noch etwas mehr.

Kinder in diesem Altern tun einfach, ohne die Konsequenzen ihres Handelns für alle Beteiligten abschätzen zu können. Dadurch kann man ihnen nicht unterstellen, absichtlich böswillig zu handeln.

Info
Unsere Kinder handeln zwar absichtlich, verletzen oder ärgern uns allerdings unabsichtlich.

Jemanden ärgern kann natürlich auch mit Grenzen austesten „verwechselt“ werden. Grenzen werden gezielt ausgelotet. Wie weit kann ich gehen? Das ist eine natürliche und notwendige Entwicklung, wenn gleich nicht minder nervig. Gerade dieses Grenzen testen stößt uns natürlich selbst an unsere Grenzen. Daher ist es wichtig, diese Grenzen RECHTZEITIG zu setzen und zu wahren. Wir Eltern neigen oft dazu, ein wenig weiterzugehen. Das Problem dabei ist, dass Kinder meist nicht in der Lage sind, ihr Tun sofort zu beenden. Zu interessant und zu spaßig ist es, wenn wir Erwachsenen gewissermaßen „mitspielen“.

Mein Kind hört erst, wenn ich schreie

Wir reden und reden und reden. Aber: niemand hört uns zu, und schon gar nicht unsere Kinder. Kennen Sie das auch? Viele Eltern kommt das wohlbekannt vor. Erst, wenn wir laut werden, hören uns unsere Kinder zu. Das hat zwei Hauptgründe:

  1. Unsere Kinder sind in Beschäftigungen oft sehr vertieft und blenden alles rund um sich aus.
  2. Unsere Kinder stellen auf Durchzug, um sich selbst (vor aufkommenden Angst durch Schimpfen oder Anschreien) zu schützen.

In beiden Fällen hilft es sicherzustellen, dass Ihr Kind Sie auch gehört hat, bevor wir einen Gang in der Lautstärke hochschalten. Also:

  • Augenkontakt aufnehmen
  • direkt ansprechen
  • nachfragen
  • in die Nähe des Kindes gehen
  • auf Augenhöhe des Kindes gehen
  • und gegebenenfalls kurz auf die Schulter tippen.

Zugegeben, manchmal ist es unseren Kindern schlich egal. Aufgaben und Anweisungen, die ihnen nichts wert sind, überhören sie natürlich leichter mal. In diesem Fall ist es besonders wichtig, die oben genannten Punkte einzuhalten.

Auch, wenn unsere Kinder mit der Anweisung überfordert sind, neigen sie dazu, es einfach sein zu lassen. Nach dem Motto: Bevor ich es falsch mache, mache ich es lieber gar nicht. Daher ist es bei kleinen Kindern und neuen Aufgaben wichtig, alle nötigen Zwischenschritte klar zu formulieren und gegebenenfalls Ihr Kind dabei zu begleiten. Auch bei Jugendlichen kann das bei manchen Aufgaben noch der Fall sein. Beispiel: das Zimmer aufräumen. Klar ist die Anweisung deutlich, aber oftmals wissen sie gar nicht, wo sie anfangen sollen. Daher lieber mit Detailaufgaben starten. „Räum den Haufen Gewand in den Wäschekorb“ etwa.

Mein Kind ist so anstrengend, ich kann nicht mehr

Das Thema Stress und Überforderung als Mama oder Papa ist meist stark tabuisiert. Wir reden nicht darüber sozusagen. Es ist natürlich ein sehr privates Thema und dennoch geht es vielen Eltern so.

Das Empfinden, dass das eigene Kind anstrengend ist, kann mehrere Ursachen haben.

Oft hat es tatsächlich mit dem Temperament des Kindes zu tun. Es gibt Kinder mit einfachem Temperament und welche mit schwierigeren. Das ist größtenteils angeboren, hängt aber natürlich auch, wie so oft, mit äußeren Umständen zusammen, die diese Ausprägung begünstigen. Kinder mit schwierigem Temperament werden von uns Eltern natürlich als anstrengend erlebt. Ständig gibt es etwas, worauf zu achten ist oder es kommt zu häufigen Wutausbrüchen und starken emotionalen Situationen. Das zerrt natürlich an unseren Nerven und manchmal ist es uns schlich vor anderen unangenehmem.

Auch unser Alltag spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Fast alle haben wir Mehrfachbelastungen. Arbeit, Haushalt, Familie und viele andere Verpflichtungen. Manchmal läuft unser Kind einfach so nebenbei mit. Das hört sich jetzt natürlich nicht so toll an, aber manchmal geht es im stressigen Alltag nicht anders. Und genau in diesen Situationen ist es natürlich für uns besonders unangenehmem, wenn das Verhalten unserer Kinder nicht passt. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass diese Situationen meist nicht kindgerecht und auch für sie stressig sind. Wir können natürlich nicht alles kindgerecht machen, auch wenn wir uns noch so bemühen. Das ist okay, Kinder müssen so viele Situationen wie möglich kennenlernen, um zu lernen. Allerdings benötigt es in gewissen Situationen viele Anläufe. Wenn etwas uninteressant ist und nicht Spaß macht, gibt es für Kinder natürlich wenig Anreiz, in diesen Situationen schnell zu lernen. Da macht „Blödsinn machen“ schon mehr Spaß. Wir Erwachsene übersehen das oft, daher sollten wir uns diesen Ansatz immer wieder ins Gedächtnis rufen.

Mehr Detail und was Sie in solchen Situationen machen können, habe ich hier für Sie zusammengeschrieben: Warum sind Kinder so anstrengend?

Warum schimpfen unseren Kindern schadet

Schimpfen ist sehr laut und beinhaltet auch oftmals Kraftausdrücke. Auf jeden Fall macht schimpfen unseren Kindern Angst und überfordert Sie auf vielen Ebenen. Das ist natürlich sehr einprägsam. Diese Momente werden leicht und lange erinnert. Es verursacht Ängste und Sorgen und belastet die Beziehung deutlich. Schimpfen stellt für unsere Kinder nämlich eine Stresssituation dar, der sie sich nicht so leicht entziehen können. Oftmals wissen sie auch gar nicht, warum geschimpft wird oder wie sie es anders hätten machen können.

Aber gelegentlich schimpfen, lässt sich auch ausbessern. Wir sind nicht unfehlbar und haben auch nur begrenzte Ressourcen. Diese sind manchmal aufgebraucht und unsere Kinder bringen dann auch mal das Fass zum Überlaufen. Daher ist es auch wichtig, einen Streit aufzuarbeiten.

Was Sie nach dem Schimpfen immer tun sollten

Natürlich passiert es nahezu jeden Elternteil mal, dass die Nerven reißen und ordentlich geschimpft wird. Das heißt nicht sofort, dass wir unseren Kindern einen Schaden fürs Leben zufügen. Wir alle sind Menschen und wir haben unsere Grenzen. Unsere Kinder haben diese, aber auch wir Eltern.

Wichtig ist es, nachdem sich die Gemüter beruhigt haben, die Situation immer zu reflektieren. Sich und die Situation zu hinterfragen, aber auch das Verhalten, dass dazu geführt hat und mit dem Kind die Situation nochmals nachzubesprechen. Natürlich gilt auch für Erwachsene: „Wenn du etwas falsch gemacht hast, musst du dich entschuldigen!“

Es tut uns und unseren Kindern gut, zu sagen „Ich hab’ dich lieb“ und dem Kind Sicherheit und Halt zu vermitteln. Auch zu sagen, warum wir geschimpft haben und gemeinsam nach Lösungen und Wegen zu suchen, das in Zukunft zu vermeiden. Hierfür können Sie natürlich verschiedenste Taktiken anwenden. Ihrem Kind nur zu sagen, was es darf und nicht darf, bringt meist kaum einen Erfolg. Regeln, Routine, Anleitung und Üben hingegen zeigen oft gute Erfolge. Aber wir müssen in diesem Fällen nicht nur an unseren Kindern „arbeiten“, auch an uns selbst. Grenzen wahren, Stress aus dem Alltag nehmen, auch für uns Routinen und Sicherheiten schaffen, ist als Elternteil enorm wichtig und schafft Entspannung.

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

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