Kindern Nähe und Distanz beibringen

Ein wichtiges Thema im Umgang mit Fremden, aber auch mit Freunden und Bekannten. Kinder müssen erst lernen, was wann angebracht ist und wann nicht. Das ist nicht immer leicht, aber definitiv ist hier die Vorbildrolle von uns Eltern und der Umgang unseren Kindern gegenüber mit Nähe und Distanz wichtig. So viel vorweg: althergebrachte Sitten sind hier oft hinderlich.

Was versteht man unter Nähe und Distanz?

Zunächst unterscheiden wir hier zwischen emotionaler und körperlicher Nähe und Distanz. Die emotionale Nähe bezieht sich auf die gegenseitigen Gefühle und Einfühlungsvermögen für unser Gegenüber und die Art und Weise, wie wir diese zeigen. Körperliche Nähe und Distanz bezieht sich vorwiegend auf den tatsächlichen physischen Abstand zwischen zwei oder mehreren Personen. Wobei Nähe immer das Zusammen sein und Distanz immer den Abstand meint.

Distanzmodell

Auch bei Erwachsenen gibt es dieses Problem. Dazu habe ich einen eigenen Artikel für Sie hier verfasst.

Wie lernen Kinder Nähe und Distanz?

Um die Balance zwischen Nähe und Distanz zu lernen, sind wir Eltern gefragt. Wir müssen unseren Kindern:

  • Ein gutes Vorbild sein, indem auch wir den nötigen Abstand zu Fremden oder nicht so engen Vertrauten einhalten
  • Unsere Kinder darauf aufmerksam machen, wenn sie unangemessen handeln
  • Immer wieder soziale Situationen besprechen
  • Unseren Kindern natürliche, entwicklungsbedingte Grenzen lassen.

Tipps, zur Förderung der gesamten sozial-emotionalen Entwicklung, finden Sie hier.

Vorbild sein

Unsere Kinder sehen an uns, wie wir mit Fremden und Bekannten oder auch Verwandten und engen Freunden umgehen. Neigen wir selbst dazu, etwas zu nahe bei jemandem zu stehen oder ein Küsschen zur Begrüßung auf die Wange geben, obwohl unsere Kinder die Person kaum kennen, lernen sie daraus, dass dieses Verhalten Fremden gegenüber angebracht ist.

Manchmal mag es bei unseren Kindern auch zu Fehleinschätzungen kommen, da sie natürlich nicht dieselbe Information über den Bekanntheitsgrad zu allen Personen haben. Sollte Ihnen das auffallen, ist es hilfreich, Ihr Kind darüber aufzuklären, dass Sie diesen Menschen nur schon lange nicht mehr gesehen haben, aber Sie ihn oder sie sehr gut kennen.
Mehr zum Thema: Wie bin ich ein gutes Vorbild, gibt es hier.

Aufmerksam machen

Wenn unsere Kinder ein unangepasstes Verhalten Fremden oder auch Bekannten gegenüber zeigen, machen Sie es schlicht darauf aufmerksam. Sagen Sie Ihrem Kind, was Sie als unpassend empfunden haben und wie es angebrachter ist, sich zu verhalten. Auch das Warum ist wichtig.

Also, wenn Ihr Kind zum Beispiel einen Bekannten, den Sie eher wenig kennen, auf den Schoß springt und mit ihm oder ihr kuschelt, dann können Sie Ihrem Kind ruhig sagen, dass das nicht passt. Dass es besser wäre die Hand zu geben, zur Begrüßung  (oder ähnliches) und dann mit ihm/ihr zu reden oder vielleicht auch was zu zeichnen oder zu spielen, je nach Situation. Da Ihr Kind die Person kaum kennt, ist es viel zu übertrieben, mit ihm/ihr zu kuscheln.

Achtung!
Je jünger Ihr Kind ist, desto unmittelbarer sollte der Hinweis erfolgen.

Generell Besprechen

Sie sollten das Thema Nähe und Distanz aber auch generell mit Ihrem Kind immer wieder zwischendurch besprechen, wenn es sich gerade gut ergibt. Also, wenn Sie eine Situation beobachten oder wenn etwas in einem Buch oder Geschichte vorkommt, bietet es sich an, das aus Anlass zu nehmen und anhand dieser Situation darüber zu reden, was Ihr Kind dazu meint: wie lange kennen sich diese Leute schon? Sind sie verwandt (Mama und Tochter, Onkel und Neffe …)? Sind sie beste Freundinnen? Gehen sie gemeinsam in den Kindergarten? Etc. Also stellen Sie Ihrem Kind Fragen dazu, was es über die Beziehung zwischen den Menschen meint. Dann können Sie auch schön die eigentliche Situation besprechen. Wenn Ihr Kind sagt, das sind die besten Freunde und die Leute geben sich ganz formell die Hand, könnten Sie zum Beispiel das gleich aufgreifen und andere Beispiele nennen, wie sich beste Freunde begrüßen. „Glaubst Du nicht, dass sich beste Freunde vielleicht umarmen würden?“ 

Auch der Umgang mit Gefühlen spielt hier natürlich eine bedeutende Rolle. Gefühle erklären und den Umgang vermitteln, inklusive gratis Emotionskarten, finden Sie hier.

Entwicklungsbedingte Schranken zulassen

Unsere Kinder durchleben immer wieder Entwicklungsphasen, in denen sie natürliche Scheu vor Fremden haben oder auch versuchen, anderen näherzukommen. Die erste Phase ist das „Fremdeln“ bei denen Babys stets mit Weinen reagieren, wenn sie von wem gehalten werden, den sie nicht kennen. Aber auch später gibt es immer wieder solche Phasen und Sozialisationsängste. Diese gehören zu einer gesunden Entwicklung dazu und verschwinden im Normalfall nach dem Entwicklungsschritt auch wieder. Unsere Aufgabe als Eltern besteht darin, hier unsere Bindung zu unseren Kindern weiter zu vertiefen und sie so zu stärken und ihnen zu helfen, durch diese Phase durchzukommen. Manchmal neigen wir allerdings dazu, unseren Kindern diese Scheu und Distanz auszureden. Das ist natürlich ein schwieriger Balanceakt für uns Eltern. Denn einerseits sollen wir unseren Kindern unangepasstes Verhalten aufzeigen und ihnen helfen angepasste Verhaltensweisen zu entwickeln und andererseits sollen wir sie auch frei in ihrer Entwicklung lassen. Ich würde empfehlen, immer zu überlegen, ob es aus Sicht Ihres Kindes ein angemessenes Verhalten ist oder nicht. Dabei stellt sich die Frage, wie gut kennt Ihr Kind die Person? Und orientiert es sich vielleicht an Ihrem Verhalten und reagiert deswegen so vertraut auf die Person? 

Info
Generell gilt: Das Thema in Ruhe und ohne Vorwürfe ansprechen und Alternativen gemeinsam erarbeiten schadet auf keinen Fall.

Was bedeutet Nähe und Distanz in der Pädagogik bzw. Kinderbetreuung?

Nähe und Distanz ist gerade im professionellen Bereich bedeutungsvoll. Es braucht die richtige Balance, um einerseits die nötige Nähe aufbauen zu können, um das nötige Vertrauen aufzubauen und beziehungsorientiert arbeiten zu können. Andererseits ist aber auch der Abstand besonders wichtig, um die nötige berufliche Sachlichkeit zu gewährleisten. Besonders sind hier die Nähe und Distanz auf allen drei Ebenen zu berücksichtigen:

  • Balance von Nähe und Distanz zu den Lebenswelten und Lebenslagen der Kinder
  • Balance von Nähe und Distanz zwischen dem Interesse und Bedürfnissen des Pädagogen bzw. Kinderbetreuers
  • Balance von Nähe und Distanz zwischen den Interessen der Kinderbetreuungseinrichtung und der Betreuung

Es müssen also die Interessen der Kinder, der Pädagogen/ der Betreuer und der Einrichtung individuell berücksichtigt werden. Was also Nähe und Distanz im Einzelfall bedeutet, ist von allen drei Ebenen abhängig.

Eine interessante Bachelorarbeit zum Thema Distanz und Nähe in der sozialen Arbeit habe ich bei der Hochschule Düsseldorf für Sie gefunden.

Kind kennt keine Distanz

Aber was genau können Sie nun tun, wenn Ihr Kind oder ein anderes Ihnen gegenüber keine Distanz zeigt?

Zunächst mal kann es daran liegen, dass es das einfach noch nicht in passender angemessener Weise gelernt hat. Anderseits kann es aber natürlich auch an verschiedenen Entwicklungsstörungen liegen.  Handelt es sich um Ihr Kind und sind Sie der Meinung, dass Sie Ihrem Kind schon versucht haben, angemessen Abstand und Nähe zuhalten und sie trotzdem ratlos sind, wenden Sie sich bitte an Ihrem Kinderarzt. Dieser wird Sie gegebenenfalls beraten und vielleicht zur passenden Stelle schicken.

11 Tipps, im Umgang mit distanzlosen Kindern

  • Sagen Sie ganz klar „Stopp“
  • Sagen Sie ganz klar, was Sie nicht wollen
  • Sagen Sie auch, warum Sie es nicht wollen
  • Machen Sie einen Vorschlag, was Sie stattdessen gemeinsam tun können
  • Seien Sie konsequent
  • Vereinbaren Sie Regeln für bestimmte Situationen
  • Wenn es Ihnen zu viel wird, gehen Sie weg und nehmen Sie Abstand
  • Loben Sie das Kind, wenn Sie merken, es hat sich bemüht 
  • Legen Sie Ihre Grenzen fest. Was ist okay, was nicht?
  • Suchen Sie sich einen ruhigen Moment zum Besprechen der Grenzen
  • Stellen Sie das Kind nicht bloß, besprechen Sie unangepasstes Verhalten (wenn möglich) im Vieraugengespräch

Sie können zum Belohnen und Heben der Motivation gut Belohnungstafeln (Werbung) einsetzen. So sieht Ihr Kind seinen/ ihren Fortschritt besser und bleibt eher am Ball.

Aber auch die Projektmappe Ich-Du–wir (Werbung) ist hierfür sehr empfehlenswert. Hier werden viele praktische und einfache Ratschläge und Übungen für unterschiedliche Situationen des sozialen Miteinanders mitgegeben.

Im Zusammenhang mit Empathie, also Einfühlungsvermögen, kann ich aus meiner beruflichen Praxis diese Gefühlskarten (Werbung) empfehlen. So können Kinder einfacher lernen, ihre eigenen Gefühle zu verstehen, aber auch die der anderen besser zu erkennen.

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Info
Kinder können Distanz erst im Alter von 3 Jahren wahren!

Fazit

Gerade Distanzlosigkeit wird von uns Erwachsene oft als Verfehlung des Kindes erlebt. Aber tatsächlich ist es eine Hilflosigkeit der Kinder. Wir als Eltern haben die Pflicht, unseren Kindern diese Fähigkeit zu vermitteln. Dabei dürfen wir genauso wenig auf die Nähe und Nähe zulassen nicht vergessen. Beides gemeinsam, Distanz und Nähe, sind wichtige Bestandteile für das soziale Leben und die Beziehungsfähigkeit während unseres gesamten Lebens. Darum ist es ungemein wichtig, unseren Kindern das richtige Rüstzeug dafür mit auf ihren Weg zu geben.

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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