Mein Kind kann nicht stillsitzen; mit praktischen Tipps und Gründen

Viele Kinder zappeln herum und können nicht still sitzen. Gerade, wenn wir Eltern es gar nicht brauchen können, zappeln unsere Kinder gleich noch mehr herum als uns lieb ist. Das Problem ist oft, dass es uns selbst meistens auch nervös macht und die Situation dadurch angespannter wird. Aber warum können so viele Kinder nicht einmal kurz stillhalten? Ist mein Kind etwa hyperaktiv?

Diese Frage stellen sich viele Eltern, zumal es auch aus Zappelphilippsyndrom bekannt ist. Tatsächlich reichen einzelne Symptome, wie herumzappeln, aber für eine klinische Diagnose nur selten aus. Andere Gründe, was genau Sie beachten sollten und vor allem, was Sie dagegen machen können, verrate ich Ihnen hier.

Warum Kinder nicht stillsitzen können

Stillsitzen mag für uns Erwachsene leicht erscheinen, tatsächlich ist es aber recht schwer. Stillzusitzen erfordert viel Konzentration. Probieren Sie es mal selbst aus. Versuchen Sie länger als für Sie üblich stillzusitzen. Sagen wir für Leute, die es nicht so oft machen 30 oder 45 Minuten, für alle anderen 90 Minuten. Ohne hin und her rutschen. Einfach sitzen bleiben und einer Beschäftigung nach gehen.

Ich kann Ihnen verraten, das ist nicht so leicht, wie Sie vielleicht denken. Zusätzlich ermöglichen unsere kleinen Lieblinge meist nicht 90 Minuten konzentriert einer Beschäftigung nachzugehen.

Jedenfalls geht es auch unseren Kindern so. Wir werden mit der Fähigkeit sich zu konzentrieren und stillzusitzen nicht geboren, wir müssen diese erst erlernen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit und Übung.

Wie lange sollten Kinder sich konzentrieren und still beschäftigen können?

Kleinkinder können nur 5 - 15 Minuten konzentriert sein. Bei 5-Jährigen ist im Durchschnitt mit 10 Minuten zu rechnen. Das bezieht einer Beschäftigung nachgehen genauso mit ein, wie stillsitzen. Oftmals verlangen wir da von unseren Kindern mehr, als Ihnen eigentlich möglich ist. Natürlich kann es vorkommen, dass es wichtig ist, dass sich unsere Kinder einmal länger konzentriert beschäftigen. Dafür ist es besonders wichtig, dass Sie einen Ausgleich für Ihr Kind schaffen.

AlterArbeitszeitPause
3 - 5 Jahre10 Minuten5 Minuten
6 - 8 Jahre20 Minuten5 Minuten
9 - 12 Jahre40 - 45 Minuten10 Minuten
ab 12 Jahren50 Minuten5 - 10 Minuten
Konzentrationszeit und Pausen für Kinder


In zahlreichen Studien wurde belegt, dass es für Kinder normal ist, sich während der Konzentration zu körperlich zu betätigen. Das ist auch häufig zu beobachten, wenn unsere Kinder müde sind. Der präfrontale Kortex, so heißt diese Hirnregion, versucht sich vor dem Ermüden zu schützen. Und das gelingt unsere, Körper am besten mit Bewegungen.

Auch wenn wir unsere willkürlichen Bewegungen unterdrücken, kommen meist kleinere, oftmals unbewusste Bewegungen zum Zuge. Das ist normal und eine „Schutzreaktion“ unseres Gehirns.

Der Drang zur Bewegung ist prinzipiell angeboren. Es gibt Kinder, die einen größeren Bewegungsdrang haben als andere. Wenn Sie merken, dass Ihrem Kind die Bewegung bei der Konzentration hilft, empfiehlt es sich, das ins Lernen einzubauen. Kinder, die lernen und stillsitzen, ist ein bereits überholtes Schema.

Natürlich gibt es sehr wohl Aufgaben, die ruhiges Sitzen erfordern, wie schreiben zum Beispiel. Auch das sollte trainiert werden. Aber immer in Abwechslung, mit Pausen und Phasen der Bewegung.

Tipp
Rechtzeitige Pausen und Austobzeit vorher und nachher können Kindern helfen, länger durchzuhalten.

Was kann ich tun, damit mein Kind zur Ruhe kommt?

Viele Situationen erfordern es, dass Ihr Kind wieder zur Ruhe kommt. Hier habe ich ein paar Tipps für Sie zusammengeschrieben. Diese Tipps können Sie ausprobieren, damit Ihr Kind zur Ruhe kommt:

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  • Konzentrationsspiele (siehe unten)
  • Kindermeditation (Werbung)
  • Ein Buch gemeinsam lesen
  • Ein beruhigendes Lied hören
  • Spielbild: Sie machen langsame Bewegungen vor und Ihr Kind soll Sie nachmachen
  • Sich selbst im Spiegeln betrachten lassen
  • Eine Höhle bauen und darin spielen lassen
  • Stop-and-go: Lassen Sie Ihr Kind frei bewegen und wenn Sie Stopp rufen, muss es eine Zeit lang still stehen, bis sie wieder Los rufen.
  • Stressball kneten
  • Plastilin spielen
  • Zeichnen
  • Mit Ihrem Kind rückwärts zählen
  • Strecken und tief ein und aus atmen
  • Mit Sand spielen, für drinnen eignet sich hervorragend Kinetic Sand (Werbung) zum Beispiel. Meine Kinder lieben den heiß.
  • Schüttaufgaben (Werbung): also Sachen in verschiedene Behälter umfüllen
  • Etwas sortieren lassen: ich persönlich bin ein großer Fan von diesem Surplex Sortier - Spiel (Werbung), weil es so viele tolle Möglichkeiten hat und unterschiedliche Bereiche gleichzeitig fördert.

Mein Kind ist aufgedreht und hört nicht

Besonders wenn unsere Kinder müde sind, neigen sie dazu, nochmal so richtig aufzudrehen. Das ruht daher, dass das Gehirn sich gegen die Müdigkeit zu wehren versucht. In solchen Situationen ist es besonders schwer, unsere Kinder zu beruhigen.

Worte zeigen hier meist nur wenig Wirkung, da unsere Kinder in solch einer Situation eigentlich überlastet sind und einfach nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit aufbringen können, um unsere Hinweise und Warnungen aufzunehmen und entsprechend zu verarbeiten. Was können wir also in solchen Situationen tun?

  1. Nehmen Sie Blickkontakt zu Ihrem Kind auf
  2. Eventuell auch Körperkontakt (Hand auf Schulter)
  3. Formulieren Sie einfache, klare Anweisungen
  4. Machen Sie keine Vorwürfe, das erzeugt nur Widerstand
  5. Bringen Sie Ihr Kind in eine ruhige reizarme Umgebung
  6. Geben Sie Ihrem Kind genügend Zeit, um sich zu beruhigen (das kann auch eine Stunde oder länger dauern)
  7. Bieten Sie Ihrem Kind ruhiger Beschäftigungen an (siehe unten Konzentrationsübungen)
  8. Bleiben Sie bei Ihrem und versuchen Sie es immer wieder zum ruhigen Spiel zurückzuholen.
  9. Manchmal kann es Kindern auch guttun, wenn Ihr Körper sanft beschwert wird, mit Beschwerungsdecken zum Beispiel, aber es geht auch ein schwerer Polster. Achten Sie aber bitte darauf, dass es nicht zu schwer ist und den Kopf keinesfalls bedeckt.

Mehr zum Thema Kinder beruhigen und Schlafenszeit habe ich hier für Sie zusammengefasst.

ADHS und ADS: Ist mein Kind hyperaktiv?

Diese Übersicht soll Ihnen als Information und Orientierung dienen, damit Sie einen Eindruck bekommen, wovon genau die Rede ist und worauf Sie eventuell achten können. Diese Aufstellung dient als Grundinformation. Bitte wenden Sie sich auf jeden Fall an Ihren Kinderarzt, wenn Sie Bedenken haben.

Nach dem Diagnoseklassifikationssystem DSM IV müssen folgende Kriterien für eine Diagnose erfüllt sein:

Grundmerkmale:

  • Störung der Aufmerksamkeit mit Mangel an Ausdauer bei Beschäftigungen und die Tendenz, Tätigkeiten zu wechseln, bevor sie zu Ende gebracht wurden.
  • Unruhiges Verhalten insbesondere mit Unfähigkeit stillsitzen zu können.
  • Impulsivität z. B. mit abrupten motorischen und / oder verbalen Aktionen, die nicht in den sozialen Kontext passen.

Die Symptome müssen (normalerweise) vor dem 6. Lebensjahr auftreten und mindestens 6 Monate bereits vorhanden.

Aber es wird auch im Diagnosemanual darauf hingewiesen, dass alle Symptome vor dem 6. Lebensjahr auch durch entwicklungsbedingte Phasen auftreten können und darum auch normal sind! Sollten Sie Bedenken haben oder unsicher sein, bitte sprechen Sie mit Ihrem Kinderarzt. Dieser wird Sie gegebenenfalls an die richtige Adresse weiterleiten.

Mehr zu diesem Thema: gibt es hier: Mein Kind hat ADHS und ist abends besonders aufgedreht

Kriterien für Unaufmerksamkeit:

Nach dem Diagnosemanual ICD 10 müssen Kinder für die Diagnose mindestens 6 Monate, mindestens 6 der folgenden Merkmale zeigen.

Die Kinder:

  • Sind häufig unaufmerksam gegenüber Details oder machen Sorgfaltsfehler,
  • sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen aufrechtzuerhalten,
  • hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird, 
  • können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Aufgaben nicht erfüllen,
  • können sich schlecht organisieren,
  • vermeiden Aufgaben, die Durchhaltevermögen erfordern,
  • verlieren häufig wichtige Gegenstände, 
  • werden häufig abgelenkt,
  • sind bei alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich.

Kriterien für Überaktivität:

Hier müssen mindestens 6 Monate lang, mindestens 3 Symptome zu beobachten sein, die dem Entwicklungsstand nicht angemessen sind.

Die Kinder:

  • Zappeln häufig mit Händen und Füßen oder können nicht stillsitzen,
  • verlassen ihren Platz in Situationen, in denen sitzenbleiben erwartet wird,
  • laufen häufig herum oder klettern exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist,
  • sind häufig unnötig laut oder haben Schwierigkeiten sich leise zu beschäftigen,
  • Bewegen sich häufig ausdauernd und viel, obwohl es unangemessen ist sind, haben diese Unangepasstheit oder Verbote nicht wirklich einen Einfluss und es wird nicht unterlassen. 

Kriterien für Impulsivität:

Mindestens 6 Monate lang, muss mindestens 1 Kriterium zu beobachten sein, das nicht dem Entwicklungsstand entspricht.

Die Kinder:

  • Unterbrechen oft andere beim Reden und platzen mit der Antwort frühzeitig heraus
  • können häufig nicht in einer Reihe warten oder warten, bis sie bei Spielen an die Reihe kommen,
  • unterbrechen und stören andere oft, mischen sich ein,
  • reden häufig sehr viel, ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren.

Auch hier ist der Beginn vor dem 7. Lebensjahr wichtig. Die Symptome sollten auch in mehreren Lebensbereichen auftreten (also zum Beispiel zu Hause und Schule) und als Beeinträchtigung wahrgenommen werden. Auch andere Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden.

Sie sehen also, es ist nicht einfach und Sie sollten sich definitiv professionelle Beratung und Unterstützung bei Ihrem Kinderarzt holen, wenn Sie Sorge dahin gehend haben.

Für nähere Informationen können Sie hier auch bei gesundheitsinformationen.de nachlesen.

Konzentrationsübungen für Kinder

  • Puzzeln
  • Sudoku oder ähnliche Spiele
  • Mandala ausmalen
  • Malen nach zahlen
  • Mosaike legen
  • Sämtliche Gesellschaftsspiele
  • Schwungübungen
  • Ich packe meinen Koffer, spielen
  • Rückwärts Zählen
  • Einen Weg beschreiben
  • Geschichte erfinden
  • Memory
  • Hörmemory
  • Stadt, Land, Fluss
  • Wasser umfüllen
  • Hufeisen oder Ringe werfen
  • Reimen
  • Person beschreiben und erraten
  • Kette aus Büroklammer machen oder andere Fädelspiele
  • Mit verbundenen Augen Gegenstände ertasten
  • Fehlersuchbilder
  • Wimmelbücher
  • Labyrinthe lösen
  • Zungenbrecher lernen
  • Was gehört nicht zur Wortgruppe? (Hase, Fuchs, Reh, Banane, Igel zum Beispiel)
  • Das Galgenmännchenspiel
  • Gegensätze finden

Noch mehr Konzentrationsübungen für Kindergartenkinder habe ich hier für Sie.

Ab dem Schulalter empfehle ich diesen Artikel für mehr Informationen und Übungen, inklusive Gratis-Download.

Wenn Sie weitere Informationen zu Pubertät und Konzentration brauchen und Sie wissen wollen, was in dieser aufwühlenden Zeit anders ist, habe ich auch dazu hier einen Beitrag für Sie geschrieben.

Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
© Copyright 2021 - Ines Wurbs
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