Mein Kind spricht im Kindergarten nicht

Es kommt schon vor, dass unsere Kinder von neuen Situationen und Umgebungen eingeschüchtert sind und ihre Zeit benötigen, um aufzutauen. Allerdings kann auch eine Entwicklungsstörung der Grund sein. Verstummen im Kindergarten oder sprechen sie nicht sollten wir nicht automatisch auf Schüchternheit abtun, sondern genau auf Folgendes achten:

  • Wie ist die Sprachentwicklung des Kindes?
  • Gibt es Risikofaktoren, die selektiven Mutismus begünstigen?
  • In welchen Situationen spricht Ihr Kind nicht?
  • Wie ist das Kind zu Hause?

In diesem Beitrag habe ich alle wichtigen Informationen für Sie rund um selektiven Mutismus im Kindergarten zusammengefasst.

Was ist selektiver Mutismus?

Als selektive Mutismus wird eine Störung der Kommunikation bezeichnet, bei der Kinder in bestimmten Situationen und Umgebungen stumm sind. In gewohnter Umgebung und unter Vertrauten redet das Kind allerdings ganz normal, in vollen Umfang und ohne Beeinträchtigung.

Ursachen für selektiven Mutismus

Fatalerweise wurde in den Anfängen der Entdeckung des selektiven Mutismus angenommen, dass wohl nur Traumata und/ oder schwere Erziehungsfehler zu so einer Störung der Entwicklung führen können.

Heute weiß man, dass in diesem Fall wohl die Gene eine wichtige Rolle spielen. Die Entstehung von selektivem Mutismus hängt eng mit dem Verhalten der Eltern zusammen und mit deren Anlagen. Ist ein Elternteil extrem schüchtern, hat Depressionen oder auch soziale Ängste, begünstigt das die Entstehung von selektiven Mutismus beim eignen Kind.

Eine weitere häufige Ursache dafür, dass Ihr Kind nicht spricht, sind Sprachstörungen, wie Stottern, Lispeln usw. Die Kinder schämen sich einfach, vor anderen Menschen zu sprechen. Dasselbe Phänomen kann auch durch Zweisprachigkeit auftreten. Beherrscht ein Kind die Sprache nicht so gut, hat aber hohe Ansprüche an sich selbst, ist das eine mögliche Ursache.

Extremer Druck oder Stress haben sich dennoch als begünstigende Faktoren erwiesen. Nach der Art: „Bevor ich etwas Dummes sage, sage ich lieber gar nichts.“

Andere Ursachen, dass ein Kind im Kindergarten nicht spricht

Natürlich können auch Taubheit, oder eine andere Hörstörung, eine tiefgreifende Entwicklungsstörung oder Aphasie eine mögliche Ursache sein, dass Ihr Kind im Kindergarten nicht spricht. Unter Umständen tritt das Nichtsprechen auch bei Autismus auf.

Alle diese Ursachen müssen Sie von Ihrem Kinderarzt abklären lassen! Er kann die organischen Voraussetzungen prüfen und Sie gegebenenfalls an die richtige Stelle in Ihrer Umgebung weiterleiten.

In welchem Alter beginnt der selektive Mutismus?

Meist tritt der selektive Mutismus zu Beginn des Kindergartens oder der Schule auf. Zuvor befinden sich die Kinder größtenteils in der Obhut der Familien oder einzelnen Personen, zu denen sie eine enge Beziehung haben. In diesen Situationen tritt diese Beeinträchtigung überwiegend noch nicht auf. Erst durch das Ablösen und Herauslösen aus der Familie und dem vertrauten Umfeld kommt das Problem, dass das Kind nicht spricht zum Vorschein.

Für die Unterscheidung selektiver Mutismus und Schüchternheit, können Sie auch hier nachlesen.

Wann soll ich gegen das Verstummen meines Kindes etwas tun?

Oftmals wird selektiver Mutismus lange nicht bemerkt oder als unbedenklich abgetan. Tatsächlich ist es auch schwierig, diese Störung richtig und vor allem rasch zu erkennen. Schließlich gehen wir nicht wegen jeder Kleinigkeit mit unseren Kindern zum Arzt, da würden wir nie fertig.

Da der Ausbruch des selektiven Mutismus häufig mit einem neuen Lebensabschnitt zusammenhängt, schieben wir das nicht Sprechen auch gerne auf Schüchternheit und andere Faktoren. Das ist zwar richtig, dennoch sollten wir unsere Kinder dabei unterstützen, die Situation zu überwinden und zu meistern.

Wichtig
Spricht Ihr Kind über 4 Wochen in bestimmten Umgebungen/ Situationen nicht, gehen Sie zum Kinderarzt!

Anzeichen für selektiven Mutismus

Folgende Anzeichen können auf selektiven Mutismus hindeuten:

  • Ihr Kind spricht im Kindergarten mit keinem anderen Kind und mit keinem Pädagogen.
  • Ihr Kind redet innerhalb der Familie und in anderen vertrauten Situationen normal.
  • Kind scheut auch Blickkontakt zu den anderen „fremden“ Personen.
  • Ihr Kind wirkt beim Verstummen starr und steif.
  • Ihr Kind versucht in der anderen Umgebung durch andere Aktivitäten zu glänzen. Ist zum Beispiel sehr hilfsbereit, fleißig, arbeitet auffällig konzentriert.
  • Kinder mit selektiven Mutismus beobachten ihre Umgebung sehr genau und sorgfältig.
  • Bestehende Risikofaktoren wie Sprachstörung oder Risiken durch Veranlagung eines Elternteils.

Was kann ich tun, wenn mein Kind im Kindergarten nicht sprechen will?

  • Besprechen Sie die Situation mit dem/der Pädagogen/-in.
  • Zwingen Sie das Kind nicht zum Sprechen.
  • Erzeugen Sie auch sonst keinen Druck.
  • Versuchen Sie, so viel Stress und Druck wie möglich aus allen Lebensbereichen zu nehmen.
  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber und vermitteln Sie, dass Sie es unterstützen und Sie es gemeinsam meistern werden.
  • Schauen Sie, dass das Kind in der Gruppe keinen besonderen Status hat.
  • Auch die Pädagogen sollten das Thema und den Umgang damit in der Gruppe ansprechen, wenn nötig.
  • Das Kind sollte ganz normal in den täglichen Ablauf im Kindergarten eingebunden werden.
  • Jeder Kommunikationsversuch sollte gelobt und unterstützt werden.
  • Vermeiden Sie jedoch übertriebenes Loben und Herausheben. (Wie Sie ein Kind richtig loben können, erfahren Sie hier.)
  • Lassen Sie dem Kind Zeit und bleiben Sie geduldig.
  • Lassen Sie sich ausgiebig Zeit bei der Eingewöhnung bzw. verlängern Sie diese.
  • Achten Sie, auf einen guten Beziehungsaufbau zu so vielen Bezugspersonen wie möglich.
  • Suchen Sie sich therapeutische Hilfe bei einem klinischen Psychologen oder Psychotherapeuten, die sich auf Kinder spezialisiert haben.
  • Zusätzliche Sprachtherapie, wie ein Logopäde, kann hilfreich sein. Auch Reittherapie oder Musiktherapie bieten eine gute zusätzliche Ergänzung, sollten aber nicht als einzige „Therapie“ angewandt werden.

Übungen gegen selektiven Mutismus im Kindergartenalter

Das Sprechen mit fremden Personen ist für Kinder mit selektiven Mutismus, aber auch für sehr introvertierte, schüchterne Kinder, sehr schwierig. Daher ist es hilfreich, das Sprechen in den unterschiedlichsten Situationen zu üben.

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Übungen mit Spielzeug

Spielen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind mit Puppen, Dinos oder anderen Spielzeugfiguren gewisse Situationen nach und lassen Sie das Spielzeug die Situationen sprachlich durchleben. Auf diese Weise können Kinder ohne Druck ausprobieren und erfahren, was Sie in welcher Situation sagen können und was vielleicht auch nicht so gut passt.

Oft wissen Kinder nicht genau, wie sie etwas sagen sollen oder wie sie nach etwas fragen können und sagen deshalb gar nichts. Diese stellvertretenden Übungen helfen, den Wortschatz und die Möglichkeiten zu erweitern und geben unseren Kindern Sicherheit.

Rollenspiele

Das klassische Rollenspiel ist ein weiterer Schritt und eine vielversprechende Möglichkeit, um sich auf die verschiedensten Situationen vorzubereiten und das Sprechen einzuüben. Also, Sie spielen etwa den Gast im Restaurant und Ihr Kind die Kellnerin.

Dies ist schon ein Schritt weiter als das Spielen mit Spielzeug.

Achtung
Üben Sie immer nur eine Situation auf einmal. Bei jeder Situation gibt es unzählig viele Möglichkeiten diese abzuwandeln und umzugestalten, nutzen Sie Ihre Erfahrungen aus dem alltäglichen Leben, um die Situation realistisch zu gestalten.

Kleine Aufgaben in der Außenwelt

Haben Sie schon viel geübt, können Sie alltägliche Situationen mit Ihrem Kind nutzen, um es zum Sprechen zu animieren.

Lassen Sie Ihr Kind im Restaurant bestellen oder um die Rechnung bitten. Lassen Sie es im Supermarkt an der Kassa nach dem Preis fragen oder an der Wursttheke um eine Scheibe Wurst oder Ähnliches.

Motivieren Sie Ihr Kind dazu, aber drängen Sie es nicht. Das ist eine sehr große Aufgabe, die viel Mut erfordert. Es wird nicht gleich auf Anhieb klappen und kann mehrere Anläufe benötigen. Sie sollten entscheiden, ob es gut für Ihr Kind ist, den Anlauf nach ein bisschen Abstand gleich noch einmal zu wagen oder ob es das lieber beim nächsten Mal probieren soll.

Sie sollten vermeiden, für Ihr Kind zu sprechen, auch wenn sich Ihr Kind weiter weigert zu sprechen. Aber bleiben Sie an seiner/ihrer Seite und unterstützen Sie Ihr Kind, indem Sie vorher wiederholen, wie es was sagen kann. Im Notfall können Sie es auch in der Situation Ihrem Kind einsagen. Besonders zu Beginn, ist es enorm wichtig, Ihr Kind nicht allein in der Situation zu lassen, sondern als sicherer Hafen an seiner/ihrer Seite zu stehen.

Wichtig
Zeigen Sie Ihrem Kind Anerkennung und loben Sie es für den Versuch in ungewohnten Situationen zu sprechen.

Oftmals hat sich auch eine Belohnungstafel (Werbung) als hilfreich erwiesen. In dieser wird vermerkt, wenn Ihr Kind etwas gut gemacht hat. Anstatt der Aufgaben können Sie die unterschiedlichen Situationen oder Orte auf der Tafel eintragen. Diese können Sie dann auch bei einer gewissen Anzahl mit einer Belohnung verknüpfen, wenn Sie das wollen.

Anlaufstellen bei selektiven Mutismus

Hier habe ich Anlaufstellen für Sie herausgesucht:

Deutschland

Österreich

Schweiz

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Fachliteratur zum Thema selektiver Mutismus

Für Erwachsene

Selektiver Mutismus: Informationen für Betroffene, Angehörige, Erzieher, Lehrer und Therapeuten (Werbung)

Mut zum Sprechen finden: Kinder mit selektivem Mutismus in der Therapie (Werbung)

Für Kinder

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

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