Erziehe ich mein Kind zu streng?

Eine Frage, die sich viele Eltern stellen: Bin ich zu streng? Schließlich wollen wir unseren Kindern halt geben, aber gleichzeitig machen wir uns Sorgen, dass wir es übertreiben. Ich habe hier für Sie die wichtigsten Informationen zusammengeschrieben, Vor- und Nachteile beleuchtet und einen kleinen Fragebogen zusammengestellt, damit Sie einen Anhaltspunkt haben.

Sind wir als Eltern zu streng?

Wenn wir an strenge Eltern denken, denken die meisten von uns an den autoritären Erziehungsstil. Also jenen Erziehungsstil, bei dem die Macht und Kontrolle eindeutig bei uns Eltern liegt. Kontrolle und Regeln sind jedoch auch bei anderen Erziehungsstilen vorhanden und von Vorteil, zum Beispiel beim autoritativen Stil. Hier ist die Kontrolle vorhanden, allerdings an das Alter des Kindes angepasst.

Das heißt, unsere Kinder haben in den Bereichen, die sie schon beherrschen und für die sie bereits reif genug sind, auch die Freiheit sich selbstständig auszutoben. Ich glaube, dass die meisten Eltern, die sich informieren und ihre Erziehung immer wieder hinterfragen, genau da hineinfallen. Sie erziehen autoritativ, haben jedoch Sorge, dabei dennoch zu streng zu sein. Häufig kommen diese Gedanken, weil wir Eltern in stressigen, belastenden Situationen überreagiert haben oder auch weil wir uns mit anderen Eltern vergleichen.

Wir Eltern müssen es neben den alltäglichen Belastungen schaffen, unseren Kindern Grenzen zu setzen, sie liebevoll zu erziehen und ihnen Halt zu geben. Ein Balanceakt, der nicht immer leicht ist und uns viel abverlangt. Da ist es ganz natürlich, dass wir manchmal Fehler machen, ungeduldig werden, Konsequenzen vielleicht vorschnell setzen und im Nachhinein etwas bereuen. Das alles heißt jedoch nicht automatisch, dass wir zu streng waren. Vielleicht nur zu vorschnell oder ganz einfach zu gestresst.

Ich kann Sie beruhigen, die Grundbedürfnisse unserer Kinder sind, neben den physiologischen Bedürfnissen: Sicherheit, Liebe, Anerkennung, Freude, Entwicklung und Selbstständigkeit und Autonomie.

Die Grundbedürfnisse unserer Kinder

Bedürfnisse können nicht durch einzelne Ereignisse erfüllt werden und genauso wenig durch einzelne Ereignisse nicht erfüllt sein. Es geht dabei um die gesamte Tendenz. Daher sind einzelne Fehler, zwar ärgerlich, für uns selbst und natürlich auch für den momentanen Zustand unserer Kinder, gesamt betrachtet allerdings weniger einflussreich. 

Wenn Sie sich jetzt fragen, ob Sie generell zu streng sind, hat das Einfluss auf mehrere Grundbedürfnisse, hauptsächlich aber auf die Autonomie. Natürlich brauchen unsere Kinder  hier noch je nach Alter unsere Hilfe und Unterstützung. Es ist also vor allem wichtig, dass Sie Ihrem Kind die Freiheiten geben, die für das Alter, aber vor allem den Fähigkeiten Ihres Kindes entsprechen. Und in diesem Fall sind auf jeden Fall Sie der Experte.

Alle Informationen über Ihr Kind laufen ja auch bei Ihnen zusammen. Das heißt, auch wenn andere in dem Alter dieses oder jenes schon dürfen, dann liegt es bei Ihnen als Familie, das allein für sich zu entscheiden, ob das für Ihr Kind schon passt oder nicht. Im Optimalfall natürlich wirklich als Familie, also unter Einbezug der Meinung Ihres Kindes.

Bedürfnispyramide Kinder
Bedürfnispyramide Kinder

Kindern Halt geben

Viele mögen sich vielleicht fragen: wie schaffe ich es meinem Kind Halt zu geben, ohne autoritär oder zu streng zu sein? Wie schaffe ich es, dass mir mein Kind nicht entgleitet? Hier habe ich die wichtigsten Eckpfeiler für Sie zusammengefasst.

Achtung
Grenzen setzen und ein autoritativer Erziehungsstil ist kein Widerspruch!

Regeln

Regeln, an denen sich unsere Kinder orientieren können, sind enorm wichtig. Sie geben unseren Kindern Sicherheit, indem Sie unseren Kindern Grenzen vorgeben. Innerhalb dieser Grenzen können sich unsere Kinder in einem sicheren Rahmen ausprobieren und lernen. Natürlich werden unsere Kinder auch immer wieder austesten, wo diese Grenzen liegen. Das ist ein ganz normales und gesundes Verhalten. Wenngleich oft recht mühsam für uns Eltern. Umso wichtiger ist es, unseren Kindern aufzuzeigen, wo diese Grenzen liegen und warum diese nicht überschritten werden sollten. 

Regeln müssen natürlich nicht starr sein und blind befolgt werden. Es empfiehlt sich Regeln, je nach Alter und Fähigkeiten Ihres Kindes, anzupassen und auch gemeinsam zu erarbeiten und festzulegen. Je jünger Ihr Kind, desto konkreter und klarer sollten diese Regeln sein.

Dem Thema Grenzen setzten, ohne zu verletzen, wird hier näher nachgegangen.

Sichere Bindung

Eine sichere Eltern-Kind-Bindung ist die Grundvoraussetzung für unsere Kinder, um zu lernen. Sie wissen, dass wir immer für Sie da sind und dass dies bedingungslos ist. Das gibt ihnen den Rückhalt, sich ausprobieren zu können und Neues zu erforschen und entdecken. Das gilt im Kleinkindalter genauso wie im Jugendalter.

Wir können diese sichere Bindung durch Nähe und Liebe und auch durch viele schöne gemeinsame Erlebnisse stärken. Gegenseitiger Respekt, Akzeptanz und Vertrauen sind hier unweigerlich die wichtigsten Punkte.

Engagement

Gemeinsame Aktivitäten und dass wir aktiv am Leben unserer Kinder teilhaben, sowie sie aktiv in unser Leben einbezogen werden sollten, ist ein oft unterschätzter Punkt, um Kindern Halt zu geben. Viele denken, das ist ohnehin der Fall. Tatsächlich ist aber durch unseren Alltag die tatsächliche Zeit, die wir gemeinsam verbringen, sehr eingegrenzt.

Umso wichtiger ist es, diese Zeit sinnvoll und aktiv gemeinsam zu nutzen. Sich über den Tag auszutauschen, ist auch schon bei Kleinkindern wichtig. Einerseits nachfragen, was sie heute erlebt haben und andererseits von unserem Tag erzählen. Aber auch gemeinsames Spielen, lachen, Spaß haben oder einfach gemeinsam den Haushalt erledigen bietet viele Möglichkeiten, den Alltag gemeinsam zu erleben.

Autonomie

Das wichtigste Grundbedürfnis ist das Erleben und Leben von Autonomie, also Freiheit. Auch bei unseren Kindern. Unsere Kinder sind keine Roboter und selbst das kleinste Kind braucht Freiraum, in dem es sich und seine Umwelt nach eigenem Belieben entdecken und gestalten kann. 

Allerdings möchte ich auch hier wieder darauf hinweisen, dass diese Freiheit natürlich immer an das Alter und die individuellen Fähigkeiten Ihres Kindes angepasst werden muss.

Selbstständigkeit

Lassen Sie Ihr Kind die Dinge selbst in die Hand nehmen. Klar wollen wir unsere Kinder beschützen und Ihnen so viel wie möglich abnehmen. Tatsächlich ist das allerdings gar nicht gut für sie. Außer es handelt sich natürlich um eine tatsächliche Bedrohung.

Viel effektiver ist es, unsere Kinder durch eine Herausforderung zu begleiten. Ihnen Hilfe und Unterstützung anzubieten, sie es aber selbst machen zu lassen. Sonst fehlt unseren Kindern der Erfolg. Das heißt, sie haben dadurch nicht oder nur sehr wenig gelernt und haben auch kein Erfolgserlebnis. Diese Erfolgserlebnisse treiben unsere Kinder an, Dinge immer wieder zu versuchen oder sich auf neue Sachen einzulassen.

Der Entfall dieser Erlebnisse nagt mit der Zeit auch am Selbstwert und Selbstbewusstsein. Das gilt es natürlich zu vermeiden. Wir alle wollen starke Kinder. Das gelingt uns allerdings nicht, wenn wir sie keine Erfahrungen sammeln lassen.

Wertschätzung

Wertschätzung meint, einander zu schätzen und das, was der andere tut. Bei Beziehungen von Erwachsenen wird das Thema öfter angesprochen. Allerdings ist es auch im Umgang mit unseren Kindern wichtig. Es zeigt die Anteilnahme und die Akzeptanz unseren Kindern gegenüber und stärkt somit die Bindung.

Respekt

Respekt voreinander haben und den anderen akzeptieren, liegt nahe zusammen. Wir Eltern neigen dazu, manchmal unsere Kinder zu übergehen. Ein Nein ist dann für uns nicht immer ein Nein. Wir machen es trotzdem, obwohl unsere Kinder Nein dazu gesagt haben. „Wir müssen Nase putzen!“. „Nein, ich will nicht.“ Und trotzdem kommen wir mit dem Taschentuch, weil wir es nicht aushalten. Aber auch mein beliebtes Beispiel. „Mama, ich fürchte mich vor …“. „Nein, du brauchst keine Angst zu haben“.

Mit solchen und ähnlichen Sätzen untergraben wir unsere Kinder. Es ist eigentlich respektlos, auch wenn wir nur das Beste für sie wollen. Hier unsere Kinder ernst nehmen und das zu respektieren ist nicht immer leicht und in tatsächlich gefährlichen Situationen auch nicht möglich. Aber wahrscheinlich ist es weitaus öfter möglich, als wir es tun. Gerne verzichten wir auf die Erklärung, weil es einfacher ist.

Ich weiß, dass wir Eltern das nicht immer schaffen, dennoch will ich hier einen Denkanstoß dazu geben. Wir verlangen von unseren Kindern Respekt, also finde ich es auch angebracht sie zu respektieren. Den konkreten Weg muss jeder selbst für sich natürlich finden. Wege, um Kindern Respekt beizubringen, können Sie hier recherchieren.

Das ist die Situation des Kindes, das in der Umwelt der Erwachsenen lebt: ein Störenfried, der etwas für sich sucht und nichts findet, der eintritt und sogleich fortgewiesen wird. Seine Lage ähnelt der eines Mannes, dem die bürgerlichen Rechte und das Recht auf seine Umwelt aberkannt worden sind: Es ist ein an den Rand der Gesellschaft verwiesenes Wesen, das jedermann ohne Respekt behandeln, beschimpfen und strafen darf, dank einem von der Natur verliehenen Recht: dem Recht des Erwachsenen.

Maria Montessori

Ehrlichkeit

Auch Ehrlichkeit gegenüber unseren Kindern ist in alters angepasster Art wesentlich, um ihnen Sicherheit und Halt zu geben. Die andere Seite der Medaille ist nämlich Lügen und Verschweigen. Kinder vertragen jedoch oft mehr Wahrheit, als wir Erwachsenen meinen. Ehrlichkeit zeugt von Respekt, stärkt unsere Bindung und das Vertrauen in uns. 

Mehr zum Thema, wie viel Wahrheit unsere Kinder vertragen, habe ich hier für Sie

Bin ich zu streng mit meinem Kind? Der Test!

Ich habe für Sie einen kurzen Fragebogen zusammengestellt, damit Sie vielleicht besser abschätzen können, ob Sie strenge oder zu strenge Eltern sind oder auch nicht. Versuchen Sie die Fragen für sich zu beantworten und so wahrheitsgetreu wie möglich. Wir versuchen uns bei solchen Tests, oft besser dazustellen, als wir sind. Davon haben Sie selbst allerdings nichts. Und den Fragebogen sieht auch niemand, also kein Grund die Wahrheit zu verzerren.

Bin ich zu streng mit meinem Kind?

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Strenge Eltern: Vor- und Nachteile

Natürlich hängt es stark davon ab, was Sie als streng definieren. Ich habe für diese Aufstellung den autoritären Erziehungsstil hergenommen. Also eine starke Kontrolle, mit kaum Freiheit und Selbstständigkeit für das Kind. Die bloße Einführung und Durchsetzung von Regeln und Grenzen fällt hier allerdings nicht darunter. Für die Vorteile von Regeln und Grenzen lesen Sie bitte den Absatz unter der Überschrift Regeln.

VorteileNachteile
Kontrolle über das KindKind ist nicht selbstständig
Sehr angepasstes KindKind ist eingeschüchtert
Meist der leichtere WegKind neigt eventuell zu Gewalt gegen anderen
 Kind hat geringen Selbstwert
 Kind hat ein schlechtes Selbstbewusstsein
 Kind hat wahrscheinlich Probleme in der Schule
 Kind hat möglicherweise wenig Freunde
 Kind hat keine Möglichkeit seine Kreativität zu entdecken
 Kind hat häufig viele Ängste
 Sie haben eine belastete Eltern-Kind-Beziehung
 Unsichere Bindung
 Langfristig negative Folgen
Vor- und Nachteile von strenger Erziehung

Spätfolgen autoritärer und zu strenger Erziehung

Ein autoritärer Erziehungsstil wirkt sich sehr stark auf den Selbstwert sowohl kurz- als auch massiv längerfristig aus. Menschen, die autoritär und zu streng erzogen wurden, denken schlecht von sich selbst, glauben nichts zu können und nichts wert zu sein. Das zeigt sich in dem, was Menschen mit geringem Selbstwert über sich sagen, aber auch darin, dass sie sich weniger zutrauen und dadurch viele Handlungen unterlassen. Sie neigen dazu, sich keine Ziele zu setzen, da sie nicht daran glauben, diese zu erreichen. 

Das wirkt sich auch schlecht auf die Leistung in der Schule, in der weiteren Ausbildung sowie später in Beruf aus.

Ein autoritärer Erziehungsstil kann auch dazu führen, dass man keine oder nur ganz wenige Freunde hat. Da autoritäre Eltern auch bei der Freundeswahl massiv eingreifen. Das führt zu eingeschränkten Freundschaften, aber auch zu weniger Erfahrung im Umgang mit anderen. Daher kann es sein, dass die sozialen Kompetenzen, also die Fähigkeiten, die wir brauchen, um mit anderen Menschen gut zurechtzukommen und sie kennenzulernen, weniger gut bis sehr schlecht erlernt wurden.

Langfristig führt all das natürlich auch zu psychischen Belastung und unter Umständen auch zu psychischen Erkrankungen, wie Depression, übermäßigen Alkohol- oder Drogenkonsum oder gar schlimmeres.

Mehr Interessantes, rund um das Thema Erziehung, finden Sie hier.

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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