Warum ist mein Kind so laut?

Unsere Kinder sind wahre Energiebündel und das platzt regelrecht aus ihnen heraus. Sie laufen, toben und schreien.

Gerade Kleinkinder und Kindergartenkinder schreien oft einfach so. Keine bestimmten Wörter, sie sind einfach nur laut. Sie können sich selbst nämlich noch nicht so gut regulieren. Aber wie alles lernen das unsere Kinder. Wie Sie sie dabei unterstützen können und wie unsere Kinder das lernen, erfahren Sie hier.

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Was passiert in unseren Kindern, wenn sie laut sind?

Meist sind sie aus einer Emotion heraus laut. Also, wenn sie sich gerade sehr freuen oder auch weil sie wütend sind. In diesen Situationen sind unsere Kinder sehr aufgeregt. Die Ereignisse im Gehirn überschlagen sich. Es werden viele Botenstoffe ausgeschüttet. Je nachdem, welches Gefühl sie gerade durchmachen.

Damit sind die Gehirne unserer Kinder ziemlich ausgelastet. Alles ist von dem Gefühl eingefärbt. So auch natürlich ihre Stimmlage. Gerade bei Freude, Spaß, Ärger oder Wut sind das eben eine laute Stimmlage, die dazugehört.

Das Gehirn unserer Kinder hat so viel mit dem Verarbeiten zu tun, dass Fähigkeiten, die noch nicht so gut ausgebildet sind oder auch noch neu sind, einfach zu kurz kommen. Sie werden sozusagen vernachlässigt. In diesem Fall ist es die Selbstregulation. Unsere Kinder können sich selbst gerade in diesen Momenten einfach noch nicht so gut selbst zurücknehmen. Es bedarf Hilfe von außen, das heißt von uns. Besonders beim Spielen ist das oft zu beobachten. Mehr zu Lautstärke in Spielsituationen gibt es hier.

Ob unsere Kinder in bestimmten Situationen eher laut oder eher leise sind, ist natürlich auch vom Temperament unserer Kinder abhängig. Dennoch kann man es nicht nur auf die Gene schieben. Gerade die Erziehung, die Bindung und unser Umgang mit dem Verhalten unserer Kinder hat starke Auswirkungen auf unsere Kinder. Diese Bereiche sind gerade beim Lernen des leise Seins wesentlich.

Was macht das mit uns Eltern?

Wir Eltern sind ja ziemlich viel gewohnt, was Lautstärke angeht. Aber nach einiger Zeit strapazieren laute Kinder trotzdem unsere Nerven. Es ist eine gewisse Art von Stress, der in uns ausgelöst wird, der sich langsam aber stetig steigert. Das geht dann so lange, bis unsere Grenze schließlich erreicht ist. 

Dann liegt es an uns, unseren Kindern dabei zu helfen, ihre Lautstärke etwas runterzuschrauben.

Das sollten wir möglichst schon beginnen, bevor uns die Nerven reißen. Unsere Grenzen sind oft schneller erreicht, als wir glauben und das kann auch bei uns Eltern Wut auslösen. Also rechtzeitig beginnen gegenzusteuern. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dauert es auch bei unseren Kindern eine gewisse Zeit, bis sie sich selbst so weit zurücknehmen können, dass sie nicht gleich wieder losbrüllen.

Mehr über die Toleranz von Lärm und die objektive und subjektive Seiten des Lärms können Sie auch hier nachlesen

Lärmpegel und ihre Wirkung auf den Körper

Wie Lärm den Körper belastet, kann eindeutig gemessen und nachgewiesen werden. Hier eine Übersicht über alltägliche Hörereignisse und ihre Wirkung:

HörereignisdB (A)*Empfindung und Beeinträchtigung
Hörschwelle0Empfindung als Stille
Aufnahmestudio10
Ruhiges Zimmer in der Nacht20
Flüstern, ruhiges Zimmer am Tag30Beeinträchtigung der Schlafqualität,
Konzentrationsstörungen
Leises Radio40
Tagespegel im Wohnzimmer50
Unterhaltung60Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
(bei Dauerschallpegel außerhalb der Wohnung),
Aufweckreaktionen
Häuserfront an
Hauptverkehrsstraße
70
PKW im Stadtverkehr, fünf Meter
entfernt
80
Lautes Babygeschrei80
Stadtautobahn85Beginn der Schädigung des Innenohrs bei jahrelanger Belastung
Kreissäge, Presslufthammer100
laute Diskothek, Walkman -
Maximalpegel
110
Rockkonzert in Lautsprechernähe120Schmerzgrenze
Trillerpfeife direkt am Ohr130Schädigung des Innenohrs bei einmaliger Einwirkung möglich
Knackfrosch direkt am Ohr140
Spielzeugpistole, 25 cm Abstand150
Gewehrschuss in Mündungsnähe160
Spielzeugpistole direkt am Ohr170
Lärmpegelauswirkungen

* Maßeinheit für die Stärke des Schalls bezogen auf das Gehör des Menschen = Dezibel A, kurz dB (A). Quelle: BZgA (Hrsg.): zu viel für die Ohren? Vom schützenden Umgang mit Lärm. Köln 2006

Lautes Babygeschrei ist (laut Hansaton) bei 80 dB einzuordnen und Kleinkinder und Kinder schaffen es auch noch höher. Kinderlärm kann also tatsächlich auch wirklich schädlich für unser Gehör sein, wenn wir unmittelbar daneben sind. Für sich beschwerende Nachbar gilt das auch rechtlich gesehen nicht.

Entwicklung der Selbstregulation

Unsere Kinder merken nicht von alleine, dass sie zu laut sind. Gerade Kinder tauchen beim Spielen bzw. einfach bei intensiven Gefühlen stark in ihre Welt ab und merken gar nicht, dass es für andere zu laut ist. 

Auch wenn sie alt genug sind, um es zu wissen, ist das Wissen nur Theoretisches da. In der Situation von selbst wieder leise zu sein, ist dann nochmals ein ganz anderer Entwicklungsschritt. Die Beherrschung dieses Schrittes sollten wir von Kleinkindern und Kindergartenkindern noch gar nicht erwarten.

Ein Lernprozess

Ungefähr ab dem letzten Kindergartenjahr oder auch am Beginn der Schule ist die Selbstregulation so weit ausgereift, dass unseren Kindern das überwiegend gelingt. Aber auch dann ist es einfach noch stark von der Situation abhängig.

Es ist ein Lernprozess, der mit zwei Jahren beginnt. Zwischen 1,5 und 3 Jahren lernen Kinder immer besser auf Belohnungen zu warten. Das ist der Beginn der Selbstregulation. Auch in diesem Alter beginnen manche Kinder schon damit, sich bewusst von Gefühlen abzulenken. Aber, bis unsere Kinder die Selbstregulation wirklich beherrschen, zumindest in den meisten Situationen, bedarf es meist die ganze Kindheit.

Seien wir ehrlich, auch uns Erwachsenen gelingt das nicht immer. Denken Sie zum Beispiel an Situationen, in denen Sie lauthals lachen, weil Sie so viel Spaß haben. Oder an den Bekannten, der immer laut wird, wenn er ein Gläschen zu viel hat. Ja, auch hier wird die Selbstkontrolle hinten angestellt. Immerhin sind wir Menschen und unsere Gefühle machen uns menschlich. Alles rund um die sozial-emotionale Entwicklung, inklusive Fördertipps, habe ich hier für Sie zusammengeschrieben.

Je besser die Bindung zwischen Ihnen und Ihrem Kind ist, desto leichter wird ihm die Entwicklung von Selbstregulation gelingen. Sie sind der sichere Hafen, den ihr Kind braucht und auf den es vertraut und wo es Beruhigung findet. Mit altersgerechter Unterstützung, Übung und konstruktivem Lob von Ihnen lernt Ihr Kind mit der Zeit sich immer besser abzulenken und zurückzunehmen, wenn es nötig ist. Details zur sicheren Bindung gibt es hier.

14 Tipps, was Sie tun können, wenn Ihr Kind laut ist

  • Schreiten Sie rechtzeitig ein. Warten Sie nicht ab, bis Ihre Grenzen erreicht sind.
  • Weisen Sie Ihr Kind darauf hin, dass es zu laut ist.
  • Stellen Sie sicher, dass Sie Blickkontakt haben, wenn Sie es Ihrem Kind sagen.
  • Seien Sie kurz und deutlich mit Ihrer Bitte.
  • Rechnen Sie damit, dass es nicht auf Anhieb funktioniert und Ihr Kind mehrmals darauf hingewiesen werden muss.
  • Bieten Sie Ihrem Kind eine Alternative an. Je nach dem Grund für das laut Sein können Sie mit Ihrem Kind eine andere Ausdrucksweise suchen.
  • Wenn Sie an einem Ort sind, wo es nicht angebracht ist, dass Ihr Kind laut ist, wechseln Sie den Ort, falls Sie Ihr Kind nicht unterbrechen wollen oder es gerade nicht geht.
  • Falls Ihr Kind laut ist, weil es aufgedreht ist: Schaffen Sie einen Rückzugsort für Ihr Kind, an dem es sich gut beruhigen oder auch ablenken kann. 
  • Reden Sie nicht in Dauerschleife auf Ihr Kind ein.
  • Vereinbaren Sie eventuell auch ein Zeichen mit Ihrem Kind. Wenn Sie es zeigen, ist es das Signal für leiser sein. Unter anderem der Schweigefuchs. Ich wende meist eine nach unten drückende Handbewegung an. 
  • Schaffen Sie auch genügend Situationen, in denen sich Ihr Kind frei ausleben kann. Kein Kind kann andauernd leise sein.
  • Achten Sie auch auf kleinere Anzeichen Ihres Kindes. Wenn Ihr Kind während eines Museumsbesuches schon unruhig wird, planen Sie die Situation bald zu beenden.
  • Haben Sie Ablenkungen parat, wenn Ihr Kind längere Zeit leise sein muss. Papier und Stifte zum Beispiel.
  • Loben Sie Ihr Kind, wenn es sich bemüht hat, leise zu sein. Wie Sie Ihr Kind richtig loben, können Sie in meinem Artikel über richtiges Lob erfahren.

Wenn Ihr Kind auch abends aufgedreht ist, dann habe ich hier Tipps und Gründe für Sie.

Fazit

Kinder dürfen schon mal Kinder sein. Aber, wenn es Grenzen überschreitet, greifen Sie rechtzeitig ein oder treten Sie im Notfall den Rückzug an.

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Mag. Ines Wurbs

Ines Wurbs ist Psychologin und Mutter zweier Kinder. Ihre Leidenschaft konnte sie zum Beruf machen und stellt ihre mehr als 15-jährigen Erfahrung mit Kindern und Familien auf Familienpsychologin.eu zur Verfügung.

Ihr psychologischer Ratgeber in Familien- und Beziehungssachen.
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